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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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fahren, einen Computer gekauft hatte und in das muffige Hotelzimmer in dem muffigen Vorort zurückgekehrt war?
    Waren nicht eher die Bilder der Grund?
    Er rief das Bildbearbeitungsprogramm des Computers auf. Da lagen die Bilder. Die alberne Kamera in seinem Handy war um Klassen besser, als er zu hoffen gewagt hatte.
    Da waren sie alle, deutlich zu erkennen. Das aufgeschwollene, brutale rote Gesicht des Leibwächters. Das schmale graue Rattengesicht des Buchhalters. Und da waren die schönen Gesichtszüge der blonden Frau. Drei Bilder, die nicht mehr nur eine Lebensversicherung, sondern ein Versprechen waren. Das Versprechen einer noch reicheren Zukunft. Steffe war auf den Geschmack gekommen. Geschmack an Geld - aber nicht nur daran. Auch an Spannung.
    Und dann das vierte Bild. Er holte es auf den Bildschirm.
    Die Buchstaben und Ziffern waren wirklich zu lesen. Er hatte das gesamte erste Blatt des ersten Ordners auf das Foto bekommen. Und alle Ziffern und Buchstaben waren da, wo sie hingehörten.
    Was waren das für enorme Mengen von Papieren in diesen Ordnern im Büro des Buchhalters im Lagerraum in Nacka? Dieses hier musste das letzte Blatt sein, das Blatt, das zuletzt abgeheftet worden war.
    Er versuchte, die Buchstaben und Ziffern zu verstehen. Sie waren ihm auf seltsame Art undurchdringlich erschienen. So lange, bis ihm einfiel, dass all die Schrägstriche, die die Ziffern und Buchstaben voneinander trennten, ins Internet gehören könnten. Von www und http und diesen ganz normalen Formen war allerdings nicht viel zu sehen, hier schien es sich um sehr viel kompliziertere Adressen zu handeln.
    Aber Internetadressen waren es doch?
    Schließlich lief der Internetanschluss des Laptops. Er war im Netz. Und unter den Ziffern und Buchstaben auf dem Blatt Papier gab es eine Zeile, die mit Bleistift eingekreist war. Ein harmloser Kreis nur, ziemlich dünn, um eine der Adressen herum.
    Er tippte sie in den Computer ein.
    Und starrte in das Herz der Finsternis.
    Was ihm begegnete, war ein Höllenbild.
    Ein Kind, dessen Blick während der Vergewaltigung bricht. Steffe konnte nicht hinsehen. Es tat in seinem ganzen Wesen weh. Mein Gott, wie schrecklich. Etwas in ihm revoltierte, traf ihn in seinem allerschwärzesten Kern.
    Er sah Marja im Kreis der Liebhaber. Und sie nahmen sie so hart, so brutal, so wild, und es tat so weh. Dieses Entsetzen, dieser schlimmste Schrecken seines Lebens war auch die intensivste Fantasie seines Lebens. Sie sprengte sein trauriges Elektrikerdasein, und er wollte, dass sie Wirklichkeit würde. Er musste das Dasein zerreißen, damit sie lebendig wurde.
    Jetzt kannte er den eigentlichen Grund, weshalb er wieder in dem muffigen Hotelzimmer in dem muffigen Vorort saß.
    Der Grund war, dass er am Rand balancierte.
    Strebte seine Lebenskraft zum Leben oder zum Tod?
    »Das ist der Rand, an dem Sie balancieren, Stefan Willner, und deshalb interessieren Sie uns.«
    Sie wollten ihn retten, wer immer sie waren. Sie wollten ihn vor seinem Todestrieb retten und ihn zu einem treuen Untertan machen. Aber wem untenan?
    Er ließ den Blick über die widerwärtige Homepage gleiten. Es gab eine ganze Menge Bilder, und die meisten waren ähnlich, hatten dieses Motiv des Übergangs ins Todesreich. Vom Leben zum Tod, von positiver Lebenskraft zu negativem Todestrieb.
    Am Ende stand ein kleiner Text: »Die Normalität setzt voraus, dass die Sexualität ein bestimmtes Aussehen hat, ein kontrolliertes Aussehen. Aber die Sexualität ist grenzensprengend, sie erweitert unsere Sinne in alle Richtungen. Wir können Dinge tun und erleben, die wir nicht für möglich gehalten haben. Wir sind unglaublich viel größer, als die Normalität behauptet. Wir können uns für zwei Wege in unserem Leben entscheiden: 1. Die Sexualität auf eine Handlung unter anderen reduzieren, auf etwas, was ab und zu einfach getan werden muss, und sie in banale Rahmen zwingen, bei ausgeschaltetem Licht, unter der Decke. Zusehen, dass sich der Mensch selbst begrenzt. Und stirbt, ohne an der großen, mächtigen, universalen Kraft teilgehabt zu haben, die sich Sexualität nennt. 2. Die imposante Kraft des Dunkels bejahen und alle Begrenzungen überschreiten, alle Rahmen sprengen, die von unglaublich viel minderwertigeren Menschen errichtet worden sind, als du selbst es bist. Akzeptieren, dass die Moral die Angst des Schwachen vor dem Starken ist.«
    Unterschrift: »Kurtz of Darkness«.
    Steffe starrte den Text an. Er beinhaltete Dinge, die er selbst nicht

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