Dunkelziffer
mal zu denken gewagt hatte, aber er traf ihn mitten in die Magengrube.
In diesem Augenblick klingelte das Handy.
Das andere, das Handy in dem zerrissenen Stoffbeutel.
Er antwortete: »Ja.«
Eine Frauenstimme, die er eindeutig wiedererkannte, sagte: »Haben Sie nachgedacht, Stefan Willner?«
»Ich weiß nicht, worüber ich nachdenken soll«, sagte Steffe.
»Das wissen Sie sehr gut «, sagte die Frauenstimme.
»Ich weiß nicht, was Sie wollen.«
»Doch, das wissen Sie. Sie sind ein eifersüchtiger Mann, Stefan Willner. Sie glauben, Sie wollen nichts anderes, als die Dinge mit Marja geraderücken. Aber Sie sind nicht sicher, ob es wirklich das ist, was Sie wollen. Vielleicht wollen Sie etwas ganz anderes.«
»Und was sollte das sein?«
»Töten«, sagte die Frau. »Sie balancieren am Rand. Die Sexualität ist eine positive Kraft, eine Urkraft, aber sie ist leicht als negative, als destruktive Kraft misszuverstehen. Vor allem für Männer. Wenn Sie zu uns kommen, werden Sie die positive Kraft in Aktion erleben. Sie ist sehr viel größer und vielfältiger als das Schwarze, von dem Sie gelockt werden.«
»Welches Schwarze?«, sagte Steffe und sah auf den Bildschirm.
»Auch das wissen Sie sehr gut«, sagte die Frau. »Das Schwarze, das Sie hinabzieht in den Untergang und viele mitreißen wird in den Abgrund. Es gibt keinen Weg heraus aus dem Schwarzen. Außer dem Weg des Lichts. Und die Urkraft des Lichts ist nicht unschuldig und harmlos. Sie ist noch mächtiger, noch großartiger als das Schauspiel, mit dem die Finsternis locken und prahlen kann. Sie wird die Finsternis immer besiegen.«
»Was tut ihr?«, sagte Steffe. »Glaubt ihr, es geht um einen mittelalterlichen Kampf zwischen Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Gott und Teufel? Seid ihr George W. Bush?«
Die Frau lachte ein wenig. »Nein, der sind wir nicht. Aber den uralten Kampf gibt es nach wie vor in neuen Formen. Er ist keine Erfindung, und es ist kein Zufall, dass er die Mythen der Völker immer bestimmt hat. Es gibt eine positive und eine negative Kraft, und beide liegen unaufhörlich im Kampf miteinander. Aber heutzutage ist dieser Kampf doch recht unbedeutend. Die Lebenskraft ist heutzutage grundsätzlich beiseitegedrängt. Wir können keinen Kampf gegen die Neutralen, gegen die große Majorität führen, die die Kraft der Kraft nicht anerkennt, aber wir können den Kampf gegen die Negativen führen, die an die Kraft der Kraft glauben, so wie wir - aber mit umgekehrtem Vorzeichen. So gesehen, geht es wieder um die Finsternis gegen das Licht. Und wenn man, wie Sie, Stefan Willner, an die Kraft der Kraft glaubt - dass sie unser Leben bestimmt -, muss man sich für eine Seite entscheiden. Die meisten Menschen müssen das nicht - sie haben die Kraft versiegen lassen -, aber Menschen wie Sie, die ihr Herz auf den Händen tragen, müssen sich für eine Seite entscheiden. Glauben Sie nicht, dass der Handlungsspielraum auf der Seite der Finsternis größer ist. Er ist es nur auf den ersten Blick.«
Während die Frau sprach, betrachtete Steffe den Bildschirm und das Handy, das Handy und den Bildschirm. Er dachte an den Begriff >am Rand< und dachte buchstäblich daran. Er dachte an unterschiedliche Lockungen, unterschiedliche Arten von Begehren.
Gesetzt, es gibt nur eine einzige Kraft. Und gesetzt, es gibt nur zwei verschiedene Arten, sich zu dieser Kraft zu verhalten.
Wie leicht das wäre.
»Was schlagen Sie vor?«, fragte Steffe, so cool er konnte.
»Sie sind zu einer unserer Veranstaltungen eingeladen«, sagte die Frau. »Damit es Ihnen leichter fällt, sich zu entscheiden...«
»Hören Sie. Ich wollte Ihnen nur ein altes Skelett für ein bisschen Geld verkaufen. Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich - wie haben Sie gesagt? - ein Mensch bin, der >sein Herz auf den Händen trägt«
»Sie haben es nicht des Geldes wegen getan.«
»Doch, doch. Was ist das für eine >Veranstaltung«
»Es ist eine Art Ritual...«
»Bei dem also das Skelett eine Rolle spielt?«
»Das Skelett? Ach, Sie meinen Rigmondo?«
»Rigmondo?«
»Ja, das Skelett, wie Sie es nennen, spielt eine gewisse Rolle. Aber nur symbolisch. Wir kehren zu unseren Wurzeln zurück. Er hat einen großen Symbolwert, der Gute.«
»Sagen wir, dass ich kommen will, wie soll das dann gehen?«
»Wir nehmen kurz vorher mit Ihnen Kontakt über dieses Handy auf und beschreiben Ihnen den Weg.«
»Können Sie nicht mehr sagen? Was wird geschehen? Wie muss ich angezogen sein?«
Die Frau
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