Dunkelziffer
ich weiß, wer euch jagt. Ich habe Bilder von ihnen. Ich weiß, wie ihr an sie herankommt. Was ist das wert?<
Der Kahle versuchte, den Tonfall zu analysieren. Was für ein Mensch war das? Konnte es die Polizei sein? Ragnar Hellbergs allen aktiven Pädophilen nur allzu gut bekannte Gruppe beim Reichskriminalamt? Es machte nicht den Eindruck.
Es kam ihm direkter und naiver vor. Bestimmt kein Insider, keiner aus dem Kreis. Nicht einmal einer mit dem rechten Begehren.
Ein Mensch, der sich nicht anstrengen muss, um mich den Wert dessen erkennen zu lassen, was er zu verkaufen hat.
Es war wichtig, im gleichen Stil zu antworten.
Er schrieb: >Der Wert ist hoch. Wie gehen wir vor? K. O. D.<
Und schickte die Mail ab.
Wenn der Verkäufer wirklich seriös war, saß er an seinem Computer und wartete. Vielleicht konnten sie einen Chat verabreden. Mails waren auf die Dauer schwerfällig.
Allerdings nicht, wenn es so schnell ging wie jetzt.
Die Antwort kam schon nach knapp zehn Minuten. >Zeig, dass du seriös bist. Ich verkaufe die Bilder sofort. Zahle fünfzigtausend auf folgendes Konto ein, jetzt. Ich muss es sofort sehen können.<
Und dann folgte eine Kontonummer.
Der Kahle betrachtete die Ziffern und dachte an mögliche Risiken. Aber gerade diese Risiken waren ausgeschlossen, hier war er ordentlich geschützt. Mit seinem eigenen Codiersystem, mit dem er so viel Geld verdient hatte, dass er seine Bedürfnisse besser und einfacher befriedigen konnte als sonst irgendjemand.
Dachte er.
Er schrieb: >Was soll ich mit den Bildern ohne Namen, Anschriften etc.?<
Diesmal ging es noch schneller. >Das ist eine Geste des guten Willens. Ich will sehen, dass Geld da ist.<
Der Kahle schnitt eine Grimasse. Der Verkäufer war clever. Er wusste, worum es ging. Sie würden sicher Geschäfte machen können.
Er schrieb: >Und dann? Wie komme ich an sie ran?<
Die Antwort lautete: >Wir sehen uns heute Abend. Du kommst direkt zu ihnen hinein.<
Der Kahle lächelte und schickte die Fünfzigtausend. Dann wartete er.
Es dauerte eine Viertelstunde, und in dieser Viertelstunde legte er sich seinen kompletten Plan zurecht. Er musste ein paar Leute anheuern. Eine baltische Bande, die ihm früher schon gute Dienste geleistet hatte.
Dann kam die Antwort. Drei Bilder, und eine Mitteilung: >Der Buchhalter, der Leibwächter und die Frau. Ich habe keine Namen. Sind unnötig. Wichtig ist, dass du sie erkennst, wenn ihr euch begegnet. Ich will eine halbe Million Vorschuss auf dasselbe Konto. Sobald ich weiß, wohin wir fahren, melde ich mich. Sie begehen heute Abend ein Ritual, zu dem ich eingeladen bin. Ich weiß nicht, wer sie sind, aber sie sind stark. Wenn alles erledigt ist, will ich noch einmal eine halbe Million. Dann verschwinde ich aus deinem Leben.<
Leben?, dachte der Kahle und schrieb: >Das Geld kommt, sobald sie sich gemeldet haben. Ich kann nicht eine halbe Million schicken, ohne zu wissen, ob es wirklich stattfindet.<
Die Antwort lautete: >Das klingt plausibel. Aber wenn du etwas unternehmen willst, solltest du deine Truppen schon vorab mobilisieren. Sie melden sich bestimmt sehr kurzfristig. Aus Sicherheitsgründen.<
Der Kahle schrieb: >Verstehe. Ich werde bereit sein.<
Und dann begann er, seine Truppen zu mobilisieren.
29
Der Anblick warf Sara Svenhagen um Jahre zurück. Sie konnte sich nicht mehr schützen, konnte nicht so tun, als ob es nie geschehen wäre, konnte sich nicht einbilden, dass es nicht überall rings um sie herum stattfände. Es beeinflusste sie noch immer. Vielleicht sogar schlimmer als zuvor.
Vielleicht war es wirklich so. Vielleicht war dies die eigentliche Ursache der Störungen in ihrem Sexualleben. Die Ursache dafür, dass die Lust weg war.
Ein verzögerter Effekt, der seine explosive Wirkung erst entfaltete, als Isabel, ihre wunderbare kleine Tochter, in die Gefahrenzone kam.
In die Reichweite der Pädophilen.
Vielleicht war es ihnen wirklich gelungen, ihre Lust zu zerstören. Wenn auch um viele Jahre verzögert.
Wie lange war es eigentlich her, dass sie in der Abteilung Ragnar Hellbergs aufgehört hatte? Dem Gefühl nach eine Ewigkeit. Aber eine Ewigkeit war es nicht. Jedenfalls aber eine Lebenszeit.
Isabels Lebenszeit.
Und jetzt, da die stinkende Homepage des verfluchten »Kunz of Darkness« vor ihren Augen stand und ihr Blickfeld verpestete, brach wieder alles über sie herein. Der unendliche Schmerz. Das groteske Gefühl der Ohnmacht. Das Verlangen - ja, Verlangen -, immer mehr und mehr und mehr
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