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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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anzulegen, wenn die Dinge zu schwierig wurden. Was macht man mit einem Menschen, von dem man weiß, dass er weitere Verbrechen begehen, andere Kinder erniedrigen wird, immer und immer wieder? Ja, man lässt sie wieder frei. Und irgendwo steht der ganze Rechtsstaat auf dem Spiel. Als sie den Blick in Lena Lindbergs Augen sah, hatte Sara gewusst, dass sie eine Schwelle überschritt. Sie hatte die Entschlossenheit im Blick gesehen - und dann dieses andere, dieses Ungreifbare, das die Beziehung zwischen Lena und ihr so lange gestört hatte. Dieses Dunkle, das sie nicht verstanden hatte.
    Bis jetzt, vielleicht.
    Sie standen im Flur und hatten das Gefühl, nichts tun zu können. Jetzt hatten sie die Chance, ein Pädophilennetz schlimmster Sorte zu sprengen, und sie hatten die Chance in die Hände Lena Lindbergs gelegt, die vielleicht sehr labil war.
    Die Zeit verging.
    Viel weniger Zeit zwar, als sie fühlten, aber trotzdem ziemlieh viel Zeit. Später hätten weder Sara noch Gunnar sagen können, wie viel Zeit es war.
    Die Zellentür ging auf. Lena Lindberg kam heraus. Sie sah aus wie immer. Sie verschloss die Tür. Dann drehte sie sich zu ihnen um und sagte: »>Kurtz of Darkness< heißt Daniel Wiklund, ist zweiundfünfzig Jahre alt und ehemaliger selbstständiger Unternehmer in der Computerbranche. Er wohnt in der Bastugata auf dem Mariaberg auf Södermalm in Stockholm. Kennzeichen: rasierter Schädel.«
    Sie sahen sie an. Dieses süße, zuvorkommende Gesicht, das ihr den Titel »Stockholms netteste Polizistin« eingebracht hatte. Und jetzt dieses andere...
    »Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte Sara finster.
    Lena Lindberg lächelte schwach und sagte: »Ich habe ihm Schläge angedroht.«
    »Mehr nicht?«
    »Er hat im Handgemenge eine Verletzung an der Wange abbekommen. Der Rest war Angst. Er ist ein ängstlicher kleiner Mensch.«
    »Ich fühle mich auch gerade wie ein ängstlicher kleiner Mensch«, sagte Gunnar Nyberg und atmete aus.
    Lena fuhr fort. »Und er wird auch keine Anzeige erstatten. Er schien fast schon erleichtert, dass er reden konnte. Ich weiß sogar, was Calle und Daniel in Südafrika getan haben. Strandberg scheint so etwas wie den grand old man gegeben zu haben. Ich glaube, >Kurtz of Darkness< sieht zu >Knabenliebe< auf. Vielleicht wie zu einem Vater. Mit allem, was das für diese Menschen bedeutet.«
    Sara Svenhagen betrachtete Lena Lindberg. Sekunden vergingen.
    Dann hob sie ihr Handy und sagte: »Also Daniel Wiklund.«
    30
    Jorge Chavez meldete sich am Handy, und als er die Stimme seiner Frau hörte, fühlte er eine solche Wärme in sich aufsteigen wie lange nicht mehr. Es verschlug ihm die Sprache, und er fing an zu stottern, bis Sara Svenhagen sagte: »Konzentrier dich jetzt.«
    Er schaltete den Bildschirm aus und hörte konzentriert zu.
    Als er Sara bis zum Ende zugehört hatte, sagte er: »Da bleibt mir die Spucke weg!«
    Und damit war das Gespräch beendet.
    Jon Anderson, der neben ihm saß, warf ihm einen bildschirmmüden Blick zu und sah die Verwandlung. Sie verwandelte auch ihn. Er nahm seine langen Beine vom Schreibtisch, holte tief Luft und merkte, wie miefig es im Zimmer 304 des Polizeipräsidiums von Stockholm roch.
    Er sah Chavez' flinke Hände über die Tastatur fliegen und den Namen Daniel Wiklund im Polizeiregister aufrufen.
    Fehlanzeige. Kein unbezahltes Knöllchen, keine Steuerhinterziehung. Nichts.
    »Wer ist Daniel Wiklund?«, fragte er, weil Chavez offenbar nicht beabsichtigte, die Information ungefragt weiterzugeben.
    »>Kurtz of Darkness< im Pädophilenring«, sagte Chavez, ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen.
    »Identifiziert? Wie denn?«, platzte Jon Anderson heraus.
    »Davon weiß die Geschichte nichts zu berichten«, sagte Jorge Chavez. »Sara war in diesem Punkt etwas zurückhaltend. Ein erfolgreiches Verhör eben. Die Frage ist, was wir machen. Bist du ein guter Beschatter?«
    »Beschatter?«
    »Der kleinste Verdacht, und er entwischt. Ich schlage vor, wir fahren in die Bastugata und beschatten ihn.«
    »Wir sollten vielleicht Kerstin informieren«, sagte Anderson.
    »Selbstredend«, sagte Chavez. »Zu gegebener Zeit.«
    Und dann machten sie sich auf den Weg. Schrittweise kehrten sie aus der virtuellen Welt in die wirkliche zurück. Sie verließen ihren Kurzzeitkollegen, den durch und durch virtuellen Axel Löfström, ohne ein Wort.
    Die Luft auf dem Korridor der A-Gruppe wurde im Sommer unerträglich heiß. Das war ein allgemein anerkanntes Mysterium. Aber jetzt

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