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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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bekleckerten erwachsenen Menschen gesehen.
    »Sag einfach gar nichts«, sagte er, nahm den Computer und machte ihr die Tür vor der Nase zu. Sie stand noch eine Weile da, mit dem Handy am Ohr, und betrachtete die geschlossene Tür. In jedem anderen Augenblick wäre sie zumindest ein bisschen beleidigt gewesen, aber dies war kein normaler Augenblick. Sie war gerade mutig gewesen.
    »Ich nehme den Bus vom Polizeipräsidium«, sagte Bengt Äkesson in ihr Ohr. »Bin in zwanzig Minuten zu Hause. Wo bist du?«
    »Vor einer verschlossenen Tür in der Birkagata«, sagte Kerstin Holm.
    »Dann bist du ja fast bei mir«, sagte Äkesson. »Gehst du beim Konsum in der Tomtebogata vorbei und kaufst ein halbes Kilo Lachs? Alles andere habe ich zu Hause.«
    »Lachs? Geräucherten Lachs?«
    »Frischen, zum Henker«, sagte Bengt Äkesson und legte auf.
    Auf der anderen Seite der verschlossenen Tür registrierte Jorge Clavez ganz objektiv, dass Klumpen von Babynahrung von seinem Körper auf den Computer fielen. Mindestens ebenso objektiv sagte er sich, dass sich die Kriminaltechniker am nächsten Tag fragen würden, wie auf den Computer einer Vierzehnjährigen Babynahrung kam. Es würde keine Rolle spielen, wie sorgfältig er die Klumpen entfernte - er wusste, dass sein Schwiegervater Brynolf Svenhagen, Chefkriminaltechniker der Reichspolizei und ohne Zweifel auf diesem Gebiet der beste Mann in Schweden, Spuren davon finden würde. Andererseits sollte er ruhig etwas zu grübeln bekommen - das geschah ihm nur recht, allein schon deswegen, weil er Brynolf war, das härteste Urgestein von Schwiegervater, das man sich vorstellen konnte.
    Chavez war mit anderen Worten nicht in bester Laune. Isabel war völlig aus dem Häuschen, nachdem sie die Jungen im Kindergarten eine gute Stunde lang gepiesakt hatte, und das Essen flog nur so in der Küche umher, das reinste Bombardement.
    Er gab auf. Wenn sie nicht essen wollte, dann eben nicht. Ein bisschen Hunger hat noch keinen umgebracht.
    Er zügelte den Gedanken, der mit ihm durchgehen wollte, und ließ sie in aller Freiheit die Küchenwände mit Mamas selbst gemachten Fleischklößchen tapezieren.
    Chavez schloss sich kurzerhand im Schlafzimmer ein und stöpselte seine eigene Tastatur und seinen Bildschirm ein. Nach einigen Minuten erschien die Aufforderung, ein Passwort einzugeben, in Begleitung eines feuerroten Fensters mit dem Text: »Falsches Passwort. Sie haben noch zwei Versuche, dann wird die Festplatte gelöscht.«
    Die Warnung war also noch da, obwohl der Computer ausgeschaltet gewesen war. Daraus ergaben sich die Voraussetzungen für die Arbeit der nächsten Stunden. Es bedeutete, dass man die Drohung ernst nehmen musste.
    Die Schlafzimmertür blieb geschlossen, während die Stunden vergingen. Chavez suchte Umwege und Abkürzungen. Es war die reinste Frustration.
    Als er schließlich »Zum Teufel!« brüllte und dem Computer einen saftigen Hieb verpasste, der natürlich zu einer blutenden Wunde führte, war es schon nach Mitternacht. Er richtete sich auf, starrte auf den verfluchten Bildschirm - und blankes Entsetzen packte ihn.
    Isabel.
    Wie eine Gazelle sprang er durch die Wohnung und in die Küche.
    Isabel war verschwunden.
    Er stand eine Weile da, völlig gelähmt, dann stürzte er weiter in Isabels Zimmer. Auch dort niemand. Schließlich sprintete er ins Badezimmer und schaute vorsichtig, Eiswürfel im Blutkreislauf, in die Badewanne.
    Da lag sie. Zugedeckt mit Babynahrung. Und schlief.
    Mein Gott, dachte er, hob sie hoch und drückte sie an sich.
    Sie wachte halb auf und sagte mit schwerer Zunge: »Papa weg.«
    Er war vernichtet. Eine Weile. Dann gab es nur noch die Scham.
    Sie war wieder eingeschlafen, und er wischte sie vorsichtig mit einem Handtuch ab, trug sie ins Elternschlafzimmer, legte sie auf Mama Saras Seite und platzierte seinen eigenen beschämten Körper direkt neben sie. Sie streckte den Arm aus und legte ihn auf seine Brust.
    Dort durfte er liegen bleiben. Die ganze Nacht, wenn nötig.
    Er fummelte sein Handy aus der Tasche, betrachtete es eine Weile, während sein Atem ruhiger wurde, und tippte eine Kurzwahlziffer ein. Nummer eins.
    »Ja, Sara«, sagte eine wache Stimme im Handy.
    »Hej, ich bin's«, sagte Jorge so forsch wie möglich. »Ihr seid wach da oben?«
    »Wir haben gerade beschlossen, wach zu bleiben. Ist etwas passiert?«
    »Nein, nein, alles ist gut. Isabel schläft.«
    »Das will ich doch hoffen«, sagte Sara Svenhagen ein wenig streng. »Es ist nach

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