Dunkelziffer
zwölf.«
»Nur eine Sache, die euch vielleicht nützen kann«, sagte Jorge Chavez. »Ich habe Emily Flodbergs Computer hier zu Hause.«
»Was du nicht sagst«, antwortete Sara.
»Nur bis die Techniker ihn morgen übernehmen. Ich hoffe, sie haben mehr Glück als ich. Ich komme nicht rein. Er ist gründlich passwortgeschützt. Und es gehören schon ziemlich gute Schutzprogramme dazu, wenn ich keine Hintertür finde. Ist für euch vielleicht gut zu wissen.«
»Okay, danke«, sagte Sara und fügte hinzu: »Gute Nacht. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch«, sagte Jorge Chavez und fühlte, wie er schrittweise, Wort für Wort, einschlief.
Sara Svenhagen drückte ihren Ehemann weg und betrachtete ihre beiden Kollegen an dem schwach beleuchteten Tisch im Gammgärd in Saltbacken in Ängermanland. »Macht es für uns einen Unterschied, dass Emily ihren Computer fast professionell mit Passwort geschützt hat?«, fragte sie.
»Es bedeutet, dass ein weiteres Moment von Geheimhaltung aufgetaucht ist«, sagte Gunnar Nyberg. »Jetzt sind es drei: das verschwundene Handy, das verschwundene Tagebuch und der geschützte Computer. Die Frage ist, ob sich das vom normalen Bedürfnis vierzehnjähriger Mädchen an Geheimnissen unterscheidet.«
»Wir brauchen doch alle Geheimnisse«, sagte Lena Lindberg.
Sara sah einen Schatten über Lenas symmetrische Gesichtszüge gleiten. Er glitt nur vorbei, trotzdem war er in Saras Augen die Bestätigung eines Verdachts: Lena steckte in einer Art seelischem Befreiungsprozess. Der aber Überwindung kostete. Die aufgestauten Aggressionen lösten sich, aber sie zahlte einen Preis dafür. Und dieser Preis war eine drastisch vergrößerte Menge an Geheimnissen.
Die Frage war, wie hoch der Preis war, den Lena bezahlte.
Aber es war zu spät in der Nacht, um weiter darüber nachzudenken.
Sara sagte: »Dass sie einen ausgeklügelten Passwortschutz benutzt, braucht ja eigentlich nicht mehr zu bedeuten, als dass sie einen Kumpel hat, der Hacker ist. Oder dass sie Hackerin ist.«
»Was für sich genommen allerhand bedeutet«, sagte Gunnar Nyberg. »Nämlich dass ein großer und wichtiger Teil ihres Lebens sich in diesem Computer befindet.«
»Aber ist das nicht bei fast allen Vierzehnjährigen in Schweden so?«
»Vielleicht. Ich bin nicht auf dem neuesten Stand, was den Kontakt mit Vierzehnjährigen betrifft.«
»Ich glaube, wir lassen das jetzt auf sich beruhen«, sagte Sara Svenhagen und nahm Anlauf zu einem Neuanfang. »Lena, was war das Endergebnis der professionellen Suchaktion, also nicht der, die von den Eltern arrangiert wurde?«
»Ich habe den Bericht hier«, sagte Lena Lindberg. »Beteiligt waren an die dreißig Personen, und das Resultat war absolut null. Nichts.«
»Und jetzt ist die Suche eingestellt worden?«
»Ja, sie wollen morgen weitermachen. Einen Tag noch, sagte der Leiter des Suchtrupps. Aber ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die ersten Zeugenaussagen am wichtigsten sind. Die Suchmannschaft wird das Mädchen nicht finden.«
»Sehen wir uns also die Zeugenaussagen noch einmal genauer an«, sagte Sara. »Di e wichtigsten sind diese acht: 1 ) Lisa Lunden, zweiundvierzig Jahre, Mutter von Felicia Lunden, 2) Marcus Lindegren, achtundvierzig Jahre, Vater von Daniel Lindegren, 3) Julia Johnsson, vierzehn Jahre, 4) Astrid Starbäck, zweiundfünfzig Jahre, Klassenlehrerin,
5) Jesper Gavlin, vierzehn Jahre, 6) Nils Anderberg, fünfundvierzig Jahre, Vater von Anton Anderberg, 7) Vanja Pers son, dreizehn Jahre, und 8) Inspektor Lars-Äke Ottosson von der Polizei in Solleftea.«
»Dreiundfünfzig Jahre«, sagte Lena Lindberg.
»Das ist eine ungeheure Menge von Namen«, stöhnte Gunnar Nyberg. »Zweiundzwanzig Schüler, sieben Erwachsene als Begleitung, über dreißig Personen in der Suchkette.«
»Wir müssen also aussortieren«, sagte Sara, »was wir zum Teil schon getan haben. Wir haben fast alle Zeugenaussagen der Kinder aussortiert, weil sie entweder nichtssagend waren oder sich nur gegenseitig bestätigten. Dieses Waldstück zwischen dem Weg und dem Fluss hat also die Form eines aufgespannten Fächers, der in nordöstlicher Richtung liegt. Der runde obere Rand des Fächers entspricht dem Lauf des Flusses, während die Landstraße, die Reichsstraße 90, die gerade Basis bildet. Im Südwesten, gleich außerhalb des Dorfes, fließt der Fluss unter der Straße durch, die dort über eine kleine Brücke führt, im Nordosten verläuft er parallel genau neben der Straße.
Weitere Kostenlose Bücher