Dunkelziffer
Ursvik.«
»Und es war also ein ziemlich großer schwarzer Wagen unbekannter Marke?«, sagte Sara und notierte alles auf ihrem kleinen Block.
»Ja«, sagte der Glaser. »Aber jetzt müsste ich los. Kaputtes Klofenster in einer Hütte in Allbäcken. Ein Alter hat sich eingeschlossen und aus Versehen den Kloschlüssel mit runtergespült. Ist es in Ordnung, wenn ich jetzt abhaue?«
»Selbstverständlich. Vielen Dank für die Hilfe.«
Der Glaser rauschte ab, und Sara tippte eine Nummer in ihr Handy.
»Lena«, kam es vom anderen Ende.
»Über alle Erwartung hier«, sagte Sara. »Fünfzehn litauische Männer, vier Autos, zwei weiße und zwei schwarze, einer mit dem Kennzeichen ZPL 145. So weit erst mal.«
»Kennzeichen!«, sagte Lena. »So weit bin ich hier noch nicht. Aber meine Frau Lindgran hat drei Autos vorbeifahren sehen, als sie auf den Bus wartete, zwei schwarze und ein weißes. Der Grund dafür, dass sie die Autos als baltisch bezeichnete, war, dass sie nicht wusste, ob das LT, das auf einem stand, Litauen oder Lettland bedeutete.«
»Und es waren wirklich drei?«
»Da war sie sich ganz sicher.«
»Nicht vier?«
»Drei.«
»Ein weißes Auto mit litauischem Kennzeichen verschwand also auf der Reichsstraße 90 zwischen Resele und Kränge zwischen halb elf und halb drei. Dazwischen liegt Saltbacken, wo zur gleichen Zeit Emily verschwand.«
»Interessant«, sagte Lena. »Ich nehme an, du fragst wegen des Kennzeichens bei Interpol an?«
»Sobald wir aufgelegt haben«, sagte Sara. »Fährst du jetzt zurück?«
»Ich bin schon unterwegs in meinem schönen Miet-Skoda. Hast du was von Gunnar gehört? Es gefällt mir nicht, dass wir ihn allein losgeschickt haben.«
»Wie hätten wir ihn denn hindern sollen?«, sagte Sara und drückte das Gespräch weg, ohne eine Antwort abzuwarten.
Sie rief sich die Gespräche vom Vormittag in Erinnerung. Die drei Polizeibeamten waren nach dem Frühstück noch unten im Speisesaal geblieben und hatten Kaffee getrunken, während Schüler und Erwachsene aus den Schlafzimmern herunterkamen. Die Stimmung war auf dem Tiefpunkt. Alle wollten nur noch nach Hause. Aber sie durften nicht. Sie sollten sich für die Reichskriminalpolizei zur Verfügung halten, genauer gesagt, für die Spezialeinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter.
Gunnar hatte sich zu Sara und Lena vorgebeugt und gesagt: »Wir nehmen uns diese träge Bande wohl vor, wenn sie in einer Stunde etwas lebendiger geworden sind. Kümmern die Damen sich in der Zwischenzeit um je einen unserer Zeugen mit den baltischen Autos?«
»Und was gedenken der Herr sich vorzunehmen?«, hatte Sara gefragt.
»Waldschrate.«
»Nicht allein«, sagte Lena Lindberg. Er sah sie eine ganze Weile an, als hätte sie eine nichtindogermanische Sprache gesprochen. Dann sagte er: »Was?« Und ging.
Sara kehrte in die Gegenwart zurück und blickte über den glitzernden Ängermanälv. Sie seufzte und tippte Nybergs Nummer in ihr Handy.
»Wollen Sie nicht rangehen?«, sagte der Mann, während sein Blick zwischen Gunnar Nybergs Gesicht und seiner Jackentasche flackerte.
»Wir führen doch gerade ein so interessantes Gespräch«, sagte Nyberg, ohne einen Finger zu rühren. Oder irgendeinen anderen Muskel im ganzen Körper, von seinem Gesicht abgesehen.
»Aber gehen Sie doch ran«, sagte der Mann. »Das irritiert so.«
»Wir tun stattdessen Folgendes«, sagte Nyberg. »Sie, Robert Karlsson, antworten. Auf meine Frage.«
»Ich war gestern den ganzen Tag bei meinem Bruder in Ramsele«, sagte Robert Karlsson und starrte wie hypnotisiert auf das klingelnde Lumberjack.
»Und Ihr Bruder kann das bezeugen?«
»Ja, klar.«
Nyberg fixierte ihn. Das Gesicht war zerfurcht, als wäre eine große Gabel von der Stirn bis zum Kinn gezogen worden, aber die babyblauen Augen hatte den unschuldigen Blick eines Kleinkinds.
»Wann sind Sie gefahren, und wann sind Sie nach Hause gekommen?«, fragte Nyberg.
»Petter hat mich am Morgen um acht abgeholt und heute Morgen um acht zurückgebracht.«
»Und womit haben die Brüder sich an diesem sonnigen Tag die Zeit vertrieben? Thailanderinnerungen? Diavorführung? Folter?«
»Um Himmels willen, wovon sprechen Sie?«, stieß Robert Karlsson bestürzt aus.
»Spielen Sie nicht das Unschuldslamm«, sagte Gunnar Nyberg und dachte im selben Augenblick: Er ist ja ein Unschuldslamm. Eine Rarität.
»Aber Herrgott. Folter?«
»Ihnen wurde der Prozess gemacht, Sie waren angeklagt, sich praktisch an einer
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