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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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ganzen Schulklasse vergangen zu haben. Es kann Ihnen nicht unbekannt sein, dass Sie im Polizeiregister als Pädophiler geführt werden.«
    Erst jetzt hörte das Handy auf zu klingeln. Nyberg holte es aus der Innentasche seines abgetragenen Lumberjacks, das er immer trug, wenn Ludmila nicht dabei war. In ihrer Gegenwart war es verboten. Sie hatte fast seine gesamte Garderobe erneuert. Und es war auch an der Zeit dafür gewesen - alles war ihm zu groß. Er war inzwischen ein kräftig abgespecktes Kraftpaket. Aber das Lumberjack taugte immer noch.
    Er blickte auf das Handydisplay, sah, dass Sara angerufen hatte, und legte das Telefon auf den Tisch - in einer Küche, in der kein einziges Einrichtungsstück jünger war als zwanzig Jahre. Außerdem lag eine dünne Schicht von undefinierbarer Schmuddeligkeit über allem. In einer anderen Welt hätte man es als Patina bezeichnen können.
    »Haben Sie einen Computer?«, fragte Gunnar Nyberg.
    »Nein«, sagte Robert Karlsson. »Ich weiß nicht mal, wie sie funktionieren.«
    Es war schwer, ihm nicht zu glauben. Dieser Mann lebte in einem anderen Jahrhundert. Wahrscheinlich hatte er sein ganzes Leben im Zustand der Kindlichkeit verbracht.
    »Sie lügen mich besser nicht an«, sagte Nyberg. »In Kürze treffen ein paar Polizeiassistenten ein und durchsuchen Ihr Haus. Zur gleichen Zeit werden zwei andere Kollegen Ihrem Bruder Petter einen Besuch abstatten. Benutzen Sie Petters Computer?«
    »Er hilft mir, darauf Reisen zu buchen«, sagte Karlsson.
    »Nach Thailand, ja. Begleitet er Sie?«
    »Nein, ich reise allein. Es ist warm da. Warm und schön.«
    »Warme, schöne Nächte...«
    »Ja.«
    »Und sind Sie allein in diesen schönen, warmen Nächten in Thailand?«
    Robert Karlsson sah den Polizisten an, antwortete aber nicht. Seine Augenbrauen drückten leichtes Misstrauen aus.
    Nyberg begann von vorn. »Warum haben Sie angefangen, nach Thailand zu fahren?«
    »Es war nach dem Prozess. Petter hat mir geholfen. Er sagte, ich müsste hier mal raus. Es hat mir gefallen, und seitdem spare ich und fahre jedes Jahr hin.«
    »Kennen Sie Gammgarden in Saltbacken?«
    »Ich kenne den Bauern, Arvid Lindström. Er hat neu gebaut, und danach ist Gammgärden verfallen. Bis er auf die Idee kam, den Hof zu renovieren.«
    »Wissen Sie, wozu der Hof jetzt dient?«
    »Da wohnen Menschen. Sie mieten ihn. Immer andere.«
    »Wissen Sie, wer im Moment dort wohnt?«
    Karlsson zog die Augenbrauen über seinen babyblauen Augen in die Höhe und sagte: »Vor zwei Wochen war ein Bowlingteam aus Göteborg da.«
    »Und jetzt?«
    »Nein, ich weiß nicht.«
    »Eine Schulklasse, Robert. Eine ganze siebte Klasse aus Stockholm.«
    Robert Karlsson nickte. »Aha«, sagte er.
    »Und wie klingt das für Sie?«, versuchte es Nyberg erneut, der Vernehmungseifer hatte ihn verlassen. Es schien unmöglich, noch etwas Vernünftiges aus Robert Karlsson herauszubekommen; der Mann sah ihn nur mit großen, fragenden Augen an.
    Gunnar Nyberg stand auf und machte noch einmal eine Runde durchs Haus. Es war klein und heruntergekommen und roch nach lebenslänglich verurteiltem Junggesellen. Und vor allem gab es keine versteckten Winkel oder heimliche Keller, wo ein vierzehnjähriges Mädchen sitzen und hören konnte, wie ihre frisch geweckten Hoffnungen sich verflüchtigten. Während er auf die Polizeiassistenten wartete, die Robert Karlssons tristes Leben auf den Kopf stellen würden, dachte er über Pädophile nach. Einmal hatte er in der Abteilung für Pädophilie gearbeitet - es kam ihm wie ein anderes Leben vor, wie das Leben eines anderen. Es war die Zeit vor Ludmila, die Zeit nach der vorübergehenden Auflösung der A-Gruppe. Alle anderen in der Gruppe waren degradiert worden, nachdem ihnen im Fall eines gefährlichen amerikanischen Serienmörders eine Fehleinschätzung unterlaufen war. Nur Nyberg hatte den Mörder richtig eingeschätzt, und zur Belohnung war er der relativ neu eingerichteten Abteilung für Kinderpornografie zugeteilt worden; es war ein Prestigeposten, der ihn jedoch fertiggemacht hätte, wäre da nicht Sara Svenhagen gewesen, eine trotz ihrer jungen Jahre bereits geläuterte Pädophilieermittlerin, eine Lichtgestalt, die ihn behutsam durch die Höllenlöcher lotste. Aber auch sie war viel näher am Rand des Ausgebranntseins gewesen, als er in seiner Blindheit geahnt hatte. Sie musste aufhören, und da die A-Gruppe gerade wieder neu ins Leben gerufen und vergrößert wurde, konnte Sara zu ihnen stoßen. Er würde

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