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Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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und wurde wieder zum vierzehnjährigen Jesper Gavlin. »Hier waren wir doch gestern«, sagte er und fummelte an einem Wacholderstrauch herum. »Hier hing der Fetzen von Emilys Pulli.«
    Lena Lindberg nickte. Sie hatte keine Ahnung, dass sie hier schon einmal gewesen war. Sie war im Begriff, die Kontrolle zu verlieren.
    »Sind Sie o.k.?«, fragte Jesper mit forschender Miene.
    »Kein Problem«, gab Lena unter großer Selbstüberwindung zurück.
    Jesper betrachtete sie skeptisch, drehte sich aber schließlich um und zeigte in den Wald. »Dann sind wir da zum Fluss hinuntergegangen.«
    »Na dann los, gehen wir«, sagte Lena forsch.
    Der Wald schloss sich wieder um sie. Jetzt hätte sie Geirs Granitumarmung gebraucht. Wenn die Kontrolle verloren ging, war es schön, sie zu haben. Wenn der Wald undurchdringlicher wurde. Sie versuchte, sich seine Umarmung vorzustellen, aber die Illusion hielt nur so lange, bis sie das Rauschen des Flusses hörten und der Wald sich wieder ein wenig lichtete, sodass man die dahinschießenden Wassermassen sehen konnte.
    Jesper Gavlin blieb ein paar Meter vom Ufer entfernt stehen.
    »Hier ist es vorbeigetrieben«, schrie Jesper. Mit seiner Stimmbruchstimme gelang es ihm gerade eben, die Stromschnellen zu übertönen.
    »Was war es denn?«, schrie Lena zurück. »Ein Pulli?«
    »Eher eine Hose. Vielleicht Jeans. Und dann kam diese eklige Ratte.«
    Lena nickte und ließ den Blick am Flussufer entlangwandern. Ein paar Wurzeln und Steine ragten hervor, an denen das Stück Stoff hätte hängen bleiben können, aber sie konnte nirgendwo etwas Blaues entdecken.
    Als sie sich umdrehte, war Jesper verschwunden.
    Einfach weg.
    Sie versuchte ihren Puls zu beruhigen. Den Gedanken, ans Wasser hinunterzugehen und das Ufer genauer zu untersuchen, gab sie schnell wieder auf. Das sollten andere tun.
    Dann setzte sie sich in Bewegung durch den dichten Wald. Irgendwo in der Ferne bellte laut ein Hund. In ihrem Kopf ging das Tosen des Flusses weiter und brachte sie aus der Fassung. Sie spürte Geirs Arme um sich und zitterte wie damals, als sie in die verlassene Seitenstraße eingebogen und vor einem unansehnlichen Hauseingang stehen geblieben waren.
    Geir sah sie an, und obwohl die Nacht dunkler war als jede Nacht ihres bisherigen Lebens, bemerkte sie seinen prüfenden Blick.
    Er sagte: »Du musst darauf vertrauen, dass ich weiß, was gut für dich ist.«
    Sie nickte, und er klopfte an. Ein bulliger Mann mit Schnauzbart öffnete die Tür einen Spaltbreit.
    Geir sagte: »Dunkelziffer.«
    Der Bullige nickte, öffnete die Tür ganz und sagte: »Willkommen.«
    Lena stolperte weiter durch den Wald. Die Streifen von Sonnenlicht kamen ihr wie Schwertklingen vor, die sie auf keinen Fall betreten durfte. Die Dunkelheit anvisieren. Das Hundebellen und das Tosen der Stromschnellen hallten in ihrem Hirn wider. Sie ahnte nicht, in welche Richtung sie ging. Geir nahm ihr den Mantel ab und gab ihn einer Garderobiere, die wie eine Tiroler Jodlerin aussah. Eine ins Innere führende Tür tat sich auf, und das massive Schweigen der Großstadtnacht wurde vom Dröhnen einer metallischen Musik abgelöst.
    Lena wich zurück, doch nur, um in Geirs Granitumarmung hängen zu bleiben.
    »Es ist okay«, sagte er ihr ins Ohr.
    Und seltsamerweise war es okay. Sie gingen ins Lokal, das sich weitete, hier und da flimmerte eine erotische Filmsequenz vorüber.
    Geir zog sie mit zu einer Treppe. Sie stiegen abwärts. Sie wurde in einen kleinen Raum mit Schranktüren an den Wänden und Kleiderbügeln mit vereinzelten Kleidungsstücken geführt. Geir begann mit einer kleinen bejahenden Geste seinen Anzug auszuziehen. Lena starrte ihn an, merkte aber, dass sie an ihrer Bluse fingerte.
    Sie hatte jede Orientierung im Wald verloren. Das Hundebeilen hörte sich an, als ginge es in etwas anderes über, ein lang gezogenes Niesen vielleicht, einen unerträglichen Laut. Und das laute Rauschen des Flusses war im Hintergrund noch immer zu hören, wä hrend sie zwischen Bäumen dahin stolperte, die sie anzugreifen schienen, Natur, die sie in Stücke reißen wollte.
    Geir war nackt. Sie betrachtete seinen fünfzigjährigen Körper, kantig und stabil und leicht unförmig. Sie selbst hatte noch ein T-Shirt und einen Slip an. Er öffnete einen der Schränke und holte eine kleine Tasche heraus. Dann lächelte er ihr vertrauenerweckend zu und nickte. Sie zog das T-Shirt und den Slip aus. Sie war nackt und konnte nicht anders, als die Arme über die Brüste zu

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