Dunkelziffer
aber als du gemerkt hast, was es war, hast du kalte Füße gekriegt. Und da war es aus mit eurer Freundschaft. Warum willst du nicht sagen, worum es dabei ging?«
Felicia sah mit leerem Blick zu Sara auf. »Ich glaube, ich habe jetzt nicht mehr so viel zu sagen.«
Sara nickte. Der Grundstein war gelegt. Den Rest musste sie nach und nach angehen. »Wir reden später noch einmal. Du hast mir sehr geholfen, Felicia. Kannst du jetzt Vanja hereinschicken?«
Als Felicia sich mit trägen Schritten zur Tür des Speisesaals begeben und sie geöffnet hatte, wimmelte es davor. Fünf Vierzehnjährige lösten sich von der Türöffnung und schauten neugierig herein.
Lena Lindberg drängte sich zwischen ihnen hindurch. Sie schien sich wieder gefangen zu haben. Es hingen keine Tannennadeln und Zweige mehr an ihr, und ihr Blick war wieder der einer Polizistin. Sie setzte sich neben Sara und sagte lakonisch: »Die Klassenlehrerin bestätigt das Schwänzen.«
»Warum hat sie uns vorher nichts davon gesagt?«
»Sie war der Meinung, Zitat: dass es >nichts mit der Sache zu tun hatte<.«
»Zeugen, Zeugen«, sagte Sara und schüttelte den Kopf.
Inzwischen hatte Vanja Persson den Raum betreten. Auf den ersten Blick wirkte sie mindestens fünf Jahre jünger als ihre beste Freundin Felicia Lundén, aber ihre Augen waren viel älter. Und obwohl es den Eindruck machte, als kleidete sie sich, um unsichtbar zu bleiben, bewirkte ihr Blick, dieser klargrüne, alles durchschauende Blick, dass sie viel mehr Platz im Raum einnahm, als Felicia es getan hatte.
»Hej, Vanja«, begann Sara. »Wie ist dein Verhältnis zu Emily?«
»Es gibt keins«, sagte Vanja Persson ruhig. »Ich bin nicht ganz sicher, ob sie weiß, dass ich existiere.«
»Was dich in die Lage versetzt, sie ungestört zu betrachten, nicht wahr?«
Vanja zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Aber ich weiß nicht besonders viel über Emily. Selbst wenn sie anwesend ist, ist sie eher abwesend.«
»Wieso abwesend?«
»Nicht richtig da. Kein Kontakt.«
»Als wenn sie... Ja, was ...? Ein Geheimnis hätte?«
»Vielleicht. Als ob das Wichtige anderswo passierte.«
»Was weißt du über Felicias und Emilys Verhältnis? Warum endete die Freundschaft?«
»Weiß nicht.«
Ein bisschen zu schnell, dachte Sara. Ein bisschen zu kategorisch, als dass es zu Vanjas Charakter gepasst hätte.
Gut, dachte sie dann. Der gleiche Punkt wie bei Felicia. Der gleiche Knackpunkt.
Ein Punkt, auf den man zurückkommen musste.
Sie wechselte die Spur und las aus einem Protokoll vor: »>Aber wenn Sie mich fragen, dann sage ich, Emily ist abgehauen. Durchgebrannt. Felicia und sie sind Zwillingsseelen irgendwie. Deshalb ertragen sie sich nicht. Sie haben da einen Hohlraum, wo das Herz sitzen sollte, aber es ist ein Hohlraum, der wehtut. Jetzt vielleicht nicht mehr.<«
»Ja?«, sagte Vanja und zuckte mit den Schultern.
»Dies waren, wie du sehr gut weißt, die letzten Worte deiner ersten Zeugenaussage. Und ich verstehe sie nicht richtig. Warum glaubst du, dass sie abgehauen ist? Aufgrund eines Hohlraums, der wehtut, aber >jetzt vielleicht nicht mehr«
»Es ist das, wovon ich vorher gesprochen habe«, sagte Vanja mit leicht gerunzelter Stirn. »Emily schien immer irgendwo anders zu sein. Oder auf dem Weg irgendwo anders hin.«
Sara Svenhagen ließ das Papier einen Meter über der Tischplatte los, ließ es hinuntersegeln und tippte dann mit dem Zeigefinger darauf. »Aber ich finde, Vanja, das ist nicht das, was du hier sagst.« Ihr Tonfall war jetzt wesentlich energischer. »Ich finde, du sagst: >Ich weiß, warum Emily verschwunden ist. Sie hat einen Ort gefunden, wo dieser Hohlraum, den sie anstelle des Herzens hat, nicht wehtut, und jetzt ist sie dahin gegangen. < Was ist das für ein Ort, Vanja?«
Vanja Persson sah Sara mit einem Blick an, der weniger ertappt als fragend wirkte. »Ich wünschte wirklich, ich wüsste das«, sagte sie.
»Aber du weißt, warum sie verschwunden ist, nicht wahr?« »Nein.«
»Nun komm schon. Warum solltest du annehmen, dass sie abgehauen ist, wenn du dafür keinen Grund hast?«
»Es kam mir immer so vor, als wäre sie im Begriff abzuhauen.«
»Du sagst viel mehr, Vanja. Du sagst, dass sie angekommen ist. Dass sie an einem Punkt angekommen ist, wo es nicht mehr wehtut. Klar weißt du, wie sie den Schmerz verschwinden lassen würde. Klar weißt du, wohin Emily gegangen ist.«
»Nein«, schrie Vanja. »Nein, ich weiß es nicht. Das nicht.«
»Vielleicht nicht
Weitere Kostenlose Bücher