Dunkelziffer
umständliche Wegbeschreibung zu dem kleinen Dorf Vallsäter und die aufwendige Kartenskizze dazu. Es war nicht der Weg, den er selbst genommen hätte. Die Zeichnung machte einen ordentlichen Schlenker nach Norden, bevor sie auf kleinen Straßen nach Westen wies. Aber okay, Strandberg war der Ortskundige.
Er fuhr los und folgte der Kartenskizze. Die Wege wurden schmaler und schmaler, kurviger und kurviger. Am Ende musste er auf einen kleinen Pfad einbiegen und anhalten. Er holte den Straßenatlas heraus und verglich die Strecken. Und begriff, was in Carl-Olof Strandbergs Blick aufgeflammt war.
Gunnar Nyberg nahm sein Handy und wählte eine Nummer.
»Ja«, sagte Sara Svenhagens Stimme. »Ich wollte nur Bescheid geben, dass ich jetzt zu Sten Larsson fahre.«
»Okay...«, sagte Sara ein wenig zögerlich.
»Ist Lena bei dir?«
»Sie ist gerade gekommen. Hör mal, ich sitze hier mit den Schülern, ich kann jetzt kein Schwätzchen halten.«
»Gut«, sagte Nyberg und beendete das Gespräch.
Sara Svenhagen blickte eine Weile auf ihr Handy. Dann wandte sie sich Lena Lindberg zu, die sich im unteren Speisesaal des Gammgirden neben sie gesetzt hatte. Tannennadeln und kleine Zweige hingen an ihrer Kleidung, die Jeans hatten braune Flecken an den Knien, und hatte sie nicht auch schwarze Schmutzränder unter sämtlichen Fingernägeln?
Und dann Gunnars rätselhafte Frage. Hier war irgendetwas passiert.
Aber das musste warten. Sie sah wieder zu Felicia Lunden auf der anderen Seite des Tisches. Das Mädchen war von großstädtischer Eleganz und sah bedeutend älter aus als vierzehn. Wahrscheinlich würde sie anstandslos in jede Stockholmer Kneipe eingelassen. Und ihrer Attitüde nach zu urteilen war sie auch schon in vielen gewesen.
»Ich habe gehört, ihr wärt Zwillingsseelen, du und Emily«, sagte Sara.
»Quatsch«, sagte Felicia Lunden. »Emily tickt doch nicht richtig, verdammt.«
»Und wieso seid ihr hier im Gammgärden in einem gemeinsamen Zimmer?«
»Sie hat endlos genervt. Wusste wahrscheinlich, dass sie ziemlich viel für sich allein auf dem Zimmer sein würde. Vanja und ich hatten keinen Bock darauf, mit dieser blöden Tussi rumzuhocken.«
»Tickt nicht richtig und blöde Tussi. Seid ihr deshalb keine Freundinnen mehr?«
»Ist doch klar. Scheißzicke.«
»Emily oder ich?«, sagte Sara und bewahrte eine strenge Miene.
Felicia zuckte zusammen und legte damit - in Saras Augen - eine Grenze fest. Es war doch schön: Jetzt wusste sie ungefähr, wo die Grenzen verliefen in dem, was ihr völlig grenzenlos vorgekommen war. Eine Polizistin >Scheißzicke< zu nennen hieß offenbar, die Grenze zu übertreten. Ein guter Wertmesser.
»Ich habe Emily gemeint«, murmelte Felicia, den Blick auf die Tischplatte gesenkt.
»Dann ist es jetzt an der Zeit, das ein bisschen genauer zu erklären. Am Anfang der Siebten habt ihr euch doch ziemlich schnell gefunden, wenn ich es richtig verstanden habe. Aber dann ging etwas schief. Was?«
»Also, diese Klasse ist aus verschiedenen anderen zusammengewürfelt worden, Emily und ich kamen allein aus unseren Klassen. Und wir waren uns ziemlich ähnlich. So schien es. Bis...« »Bis?«
»Bis sie nur noch an diesem Scheißcomputer sitzen wollte.«
»Und was wolltest du machen?«
»Was anderes. Verdammt. Mich treffen.«
»Mit Jungs?«
»Auch. Shit, Sie sagen das so, als ob ich 'ne Hure wäre oder so.«
»Tu ich das ?«, stieß Sara erstaunt aus.
»So verflucht anklagend.«
»Das war nicht meine Absicht. Ich hatte auch Freunde, als ich vierzehn war. Aber die waren etwas älter. Es ist ja ein gewisser Unterschied zwischen Jungs und Mädchen in diesem Alter.«
»Das kann man sagen«, zischte Felicia. »Hosenscheißer.«
Zurück in die Spur, dachte Sara und sagte: »Aber Emily wollte keine Jungs treffen?«
»Am Anfang wirkte es so, als ob sie wollte. Wenn wir darüber geredet haben. Sie wusste, worum es ging. Hörte sich so an. Aber dann wollte sie nicht. Es gab nur noch den Computer.«
»Hattest du den Eindruck, dass sie nur so tat? Dass sie nur die Erfahrene spielte, um cool zu sein? Dass sie dir nur imponieren wollte?«
Felicia Lunden hielt inne. Sie starrte Sara an und schien wirklich nachzudenken. »Nein«, sagte sie schließlich. » Über haupt nicht.«
»Sondern?«
»Sie fand, dass die auch kindisch waren.« »Die Jungs? Welche Klasse waren sie? Neunte?« »Ja. Echt coole Typen aus der 9c. Aber Namen sage ich nicht.«
»Und jetzt triffst du dich also zusammen mit Vanja
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