Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkelziffer

Dunkelziffer

Titel: Dunkelziffer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
Vertrauen nicht erst in zweiter Linie auftaucht, wenn eine Frau einen Mann begehrt. Und wenn das so ist: Hatte diese Gefährlichkeit nicht auch eine Kehrseite, eine Nachtseite? Die Forderung nach Vertrauen war viel zu schnell und von der falschen Seite gekommen. Natürlich würde sie bis zum letzten Blutstropfen an seiner Seite stehen - nach außen hin. Aber wie sicher war sie im Innersten?
    Und was bewirkte dies nun wiederum für die Liebe, die genau jetzt die Chance haben sollte, sich zu entfalten?
    Ihre früheren Erfahrungen mit Männern boten wenig Trost. War nicht ihr ganzes Inneres darauf eingestellt, Vorurteile gegenüber Männern zu haben? Kerlen? Jetzt musste sie einer Frau gegenüber Stellung beziehen, die behauptete, sexuell belästigt worden zu sein, ein Phänomen, mit dem sie selbst nur allzu viele Erfahrungen gemacht hatte. Die Frage des Vertrauens richtete sich in mindestens ebenso starkem Maß an sie selbst wie an Bengt Äkesson.
    Konnte sie sich selbst vertrauen?
    Alle möglichen widersprüchlichen Gefühle sollten sie durchströmen, sie sollte ihr Herz in der Hand tragen. Merkwürdigerweise empfand sie aber ziemlich wenig, als befände sie sich in sehr weitem Abstand von sich selbst und blickte auf sich hinunter.
    Sie fragte sich, wo die Grenze einer Abwehrreaktion verlaufen durfte.
    Eine Leiche ist eine Leiche ist eine Leiche. So hatte Arto Söderstedt die Sache immer betrachtet. Nüchtern und besonnen. Er war Humanist genug, um an die Seele zu glauben, und es war immer so offensichtlich, dass die Seele weit, weit weg war.
    Sie war auch jetzt weit weg. Aber eine Leiche war nicht immer eine Leiche. Es gab Ausnahmen.
    Der Kopf des Mannes lag an Ort und Stelle auf der Metallbahre; wäre nicht die schwache rote Linie am Hals gewesen, dann wäre eine Leiche wirklich eine Leiche gewesen. Aber die Linie war da, und in ihrer ganzen Anspruchslosigkeit rief sie die entsetzlichsten Bilder hervor. Söderstedt fühlte sich schwindelig, als er sich zum mit Abstand ältesten Gerichtsmediziner der Welt umwandte, dem pensionsverweigernden Uhu namens Sigvard Qvarfordt.
    »Du bist zwar immer ziemlich weiß«, knarrte Qvarfordt, »aber jetzt ist der Kittel weißer als du.«
    Söderstedt blickte an dem absurden Krankenhauskittel hinunter. Das Ding war wirklich sehr weiß.
    »Gibt es etwas zu sagen?«, brachte er heraus und spürte Viggo Norlanders prüfenden Blick im Nacken. Er sah ihn vor sich, wie er für einen Augenblick von seinem Computerausdruck aufblickte und mit einer gewissen Verwunderung die momentane Schwäche des ebenso routinierten Kollegen betrachtete.
    Qvarfordt musterte ihn eine Weile mit dem Rest eines objektiv prüfenden ärztlichen Blicks und kam anscheinend zu dem Ergebnis, dass der Weiße nicht ohnmächtig werden würde. Er drehte sich um, schwenkte den Arm in Richtung der Leiche und sagte: »Ein bisschen. Mann um die fünfzig, leicht übergewichtig, einsvierundsiebzig groß, einundneunzig Kilo, helle Haut, rotblondes Haar. Er starb gestern, Montag, den vierzehnten Juni, ungefähr um fünf Uhr am Nachmittag. Die Todesursache dürfte offensichtlich sein. Er starb an Strangulierung. Dass der Kopf dabei gleich mitkam, war mehr ein Nebeneffekt, gibt aber zugleich eine Andeutung von der aufgewendeten Kraft.«
    Söderstedts Lebensgeister kehrten allmählich zurück, zumindest einige, und er sagte: »Kann man sich eine Vorstellung von dieser Kraft machen?«
    Der Raum gewann wieder Konturen. Sie waren zu fünft darin, davon einer nicht mehr in der Lage zu antworten. Und da Arto Söderstedt nicht die Absicht hatte, seine Frage selbst zu beantworten, gab es drei mögliche Kandidaten. Dennoch wusste er sofort, wer antworten würde. Er drehte sich um und betrachtete die beiden Männer hinter sich, ebenso in Weiß gekleidet wie er und Qvarfordt. Norlander stand völlig unberührt da und studierte eingehend einen Computerausdruck.
    Neben ihm stand ein mindestens ebenso unberührter sehniger Herr im fortgeschrittenen mittleren Alter, der allzu viele gemeinsame Züge mit Sara Svenhagen aufwies, als dass man ein gutes Gefühl dabei gehabt hätte. Es gab einem nämlich nie ein gutes Gefühl, Saras schöne Gesichtszüge in der grotesk kantigen Zerrspiegelversion ihres Vaters wiederzuerkennen.
    »Groß«, sagte Chefkriminaltechniker Brynolf Svenhagen und nickte bedächtig. »Sehr groß. Aber nicht unkontrolliert.«
    »Nein«, knarrte Qvarfordt. »Die Schnittflächen sind merkwürdig sauber.«
    »Ein genau geplanter

Weitere Kostenlose Bücher