Dunkle Begierde 2
er nicht wolle, dass Felix es weiß, weil er Angst hat, Felix könnte
sie schlagen oder missbrauchen, auch wenn er körperlich sehr stark abgebaut
hatte - für Renate würde seine Kraft noch allemal reichen. Dieses Argument ließ
sie das Versprechen geben, Stillschweigen zu bewahren.
Doch
sollten sie die Rechnung ohne Felix gemacht haben. Er sollte sich noch einmal
aufbäumen und dies zu verhindern wissen.
Er hatte
zwar in den letzten Jahren stark an Gewicht verloren, und an Autorität
gegenüber Thomas, aber der Hass wuchs mit seinem Schweigen und seiner
Besessenheit von dem Gedanken, dass Thomas der Mörder Kathrins war.
An einem
Dienstagmorgen bekam Thomas einen Anruf in seinem Büro. Am Apparat war seine
Oma. Das war ungewöhnlich. Sie hatte Thomas noch nie angerufen – das Verhältnis
zu seinen Großeltern kann man eher als neutral bezeichnen. Sie bedeuteten ihm
nicht mehr, als mancher Arbeitsfreund.
Obwohl er
ein großer, hübscher, starker junger Mann war und weit weg von Techau wohnte -
dieser Anruf sollte ihn wieder zurückholen. Zurück nach Techau, zurück in die
Gewalt von Felix Mann. Zurück auf den Schoß von Andreas. Zurück zur ersten
Begegnung mit dem Gürtel und zurück zu Kathrin.
Seine Oma
teilte ihm unter Tränen mit, dass Renate verstorben sei und er so schnell wie
möglich nach Techau kommen solle.
Zu mehr
reichte ihre Kraft nicht. Mehr hätte auch Thomas nicht aufnehmen können.
Bei dem
Wort Tod war er erstarrt und sackte innerlich in sich zusammen. All seine Mühe
und seine Träume, seiner Mutter vor ihrem Tod noch ein paar schöne Jahre
schenken zu können, entglitten ihm wie ein Staubkorn, das sich dem aufkommenden
Wind nicht widersetzen kann.
War das
alles nur ein blöder Scherz, oder bildete er sich das nur ein?
Hatte
seine Oma womöglich gar nicht angerufen? Hatte er mal wieder eine
Halluzination, wie er sie ab und zu ohne Grund bekam? Einmal, als er in den
Spiegel schaute, um sich sein Haar zu kämmen, wollte er seinen Augen nicht
trauen - seine Haare waren über und über bedeckt mit Schuppen, dabei hatte er
gerade erst geduscht gehabt. So konnte er nicht zur Arbeit. Er duschte noch
einmal. Doch die Schuppen wollten nicht verschwinden. Der ganze Duschboden
schien überhäuft von Schuppen, die beim Duschen zu Boden fielen. Er duschte
bestimmt eine halbe Stunde lang, doch die Schuppen blieben. Völlig entnervt
fiel er zu Boden. Als er wieder zu sich kam, schaute er auf den Boden, der klar
und sauber war. Keine Schuppenberge. Er schaute in den Spiegel. Keine Schuppen.
Aber er hatte sie doch gesehen gehabt. Er hatte eine Halluzination. Jedoch
beschäftigte er sich nicht weiter damit, fragte sich nicht nach den Gründen. Er
hakte die Sache als einmaliges Ereignis ab und lebte seinen Alltag.
Doch
dieser Anruf, der war keine Einbildung, so sehr er es sich auch gewünscht
hätte. Es war bittere und traurige Realität. Die einzige Person, die ihm noch
etwas bedeutete, wurde von ihm genommen. Aber warum?
Nun hatte
er niemanden mehr, niemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Seine wöchentlich
wechselnden Freundinnen waren reine Bumsbekanntschaften, denen vertraute er
seine Gedanken nicht an. Doch wem sollte er sie jetzt anvertrauen? Heinrich?
Völlig
verwirrt und abwesend meldete er sich ab und begab sich gleich nach Techau.
Während der ganzen Fahrt suchte er nach Gründen, warum sie starb, da sie vor
wenigen Tagen noch bei bester Laune war, schließlich sollte sie bald nach
Hamburg ziehen und das schöne Leben kennenlernen. Warum also musste sie
sterben? Und die Antwort hatte er auch gleich gefunden. In seinem Hass
gegenüber Gott. Ja, Gott, der für ihn nicht existierte, hatte ihn wieder einmal
leiden lassen wollen.
Wie
kann jemand, den es nicht gibt, etwas tun?
Kurz vor
den Tränen schrie er während der Fahrt im Auto bei voller Kehle:
„Was
willst du, Gott? Willst du mich? Ist es das?“
Doch es
kam keine Antwort. Er musste an Felix denken, wie dieser auf dem Grabe seiner
Mutter tanzte, sich dabei betrank und die Peitsche (Gürtel) schwang.
Vor
einigen Stunden hatte er noch gehofft, dass er und seine Mutter den leidvollen
Tod Felix gemeinsam erleben würden. Felix konnte in seinen Augen gar nicht
leidvoll genug sterben.
Doch
jetzt sollte dieses Vergnügen nur noch ihm alleine vorbehalten bleiben.
In Techau
angekommen fuhr er nicht nach Hause, sondern zu seinen Großeltern. In seiner
jetzigen Situation war das Letzte, was er sehen wollte, Felix Gesicht.
Bei
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