Dunkle Beruehrung
Auch wenn er es erst einlagern musste, erwartete er, in ein, zwei Jahren enormen Profit daraus schlagen zu können.
»Dr. Kirchner soll sich darum kümmern«, sagte Genaro.
Pünktlich erschien er zu seinem Zwei-Uhr-Termin und verbrachte die nächsten Stunden damit, die technischen Daten für das neue Labor mit dem Architekten und dem Polier durchzugehen. Dann besuchte er ein Benefizessen zugunsten einer örtlichen Stiftung zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten.
»Jonah, wir freuen uns sehr, dass Sie es einrichten konnten.« Die Gastgeberin, Mitglied der guten Gesellschaft, war in den Vierzigern und hatte messingfarbenes Haar und einen jüngeren, weit weniger glücklichen Bruder, der mit einer Fehlbildung der Wirbelsäule zur Welt gekommen war. Sie ergriff die Hände ihres Besuchers und gab ihm einen nur angedeuteten Kuss auf beide Wangen. »Wo ist Lorraine?«
»Sie konnte es nicht einrichten.« Er überflog die voll besetzten Tische. »Das sieht dieses Jahr nach einem tollen Ergebnis aus, Jackie.«
»Wir sind sehr zufrieden, obwohl es – wie üblich – im letzten Moment wieder eine Panne gab. Unser Gastredner hat wegen schlechten Wetters nicht herfliegen können.« Jackie trat näher. »Darf ich so schrecklich und anmaßend sein, Sie zu drängen, für ihn einzuspringen?«
So sehr ihn die Zeit reute, die er damit verschwendete, als wohlhabender, einflussreicher Geschäftsmann aufzutreten, blieb ihm, um eine würdige Fassade zu wahren, nichts anderes übrig. Er stimmte lächelnd zu, und eine halbe Stunde später stand er vor den Festgästen und sprach über die Tragik von Gendefekten und die Heilungsperspektiven durch biotechnische Forschung.
»Vor einigen Monaten haben texanische Wissenschaftler ihre Entdeckung miteinander verbundener Abweichungen in drei Genen veröffentlicht, welche den Glukosestoffwechsel von Kindern beeinflussen, die mit Fehlbildungen der Wirbelsäule geboren werden«, berichtete er den Gästen. »Unsere Genetiker arbeiten nun mit diesen Daten an einer Gentherapie, die diese Abweichungen schon in der Gebärmutter korrigiert. Wenn wir dieses Heilverfahren erst haben, können wir Behandlungen für die anderen Neuralrohrdefekte entwickeln, zum Beispiel für Anenzephalie. Dann müssen keine Kinder mehr ihr Leben im Rollstuhl verbringen, es gibt keine Totgeburten mehr, und niemand ist dazu verdammt, wenige Stunden nach der Geburt zu sterben. Wir werden diese Tragödien abwenden, lange bevor sie sich zutragen.«
Während er fortfuhr, bemerkte Jonah, dass Jackie einige hübsche Bilder von tapfer lächelnden Rollstuhlkindern an den Wänden ringsum hatte anbringen lassen. Nicht eines zeigte ein Neugeborenes mit schwerem Neuralrohrdefekt.
Als Genaro das Abendessen verließ und zu GenHance zurückkehrte, trat Delaporte schon in der Eingangshalle auf ihn zu.
»Unser Mann hat sich heute Nachmittag gemeldet«, sagte er und begleitete Jonah zum Aufzug. Kaum hatten die Türen sich geschlossen, langte er zur Decke hinauf und schaltete die kleine Sicherheitskamera in der Ecke aus. »Er hat endlich die Frau ausfindig gemacht, die dem FBI ständig Tipps gibt. Das ist alles, was wir über sie haben.« Er gab Jonah einen Umschlag. »Sie passt ins Profil.«
Genaro zog den Bericht heraus und überflog ihn. »Allerdings. Lawson soll zu mir ins Labor kommen.«
Etwas später stand Bradford Lawson kurz unter der Ultraviolett-Desinfektionseinheit und legte dann die Rechte auf den Handabdruckscanner. Als weiteres Aushängeschild von GenHance kultivierte er das Bild von Freundlichkeit und Erfolg – von der makellosen Blondfrisur bis zum samtigen Schimmern der handgenähten Lederschuhe. Genaro interessierte sich nicht für die Farbe oder den modischen Schnitt von Lawsons kobaltblauem Anzug, doch sein junger Mitarbeiter trug ihn, als wäre er im Dreiteiler geboren.
»Delaporte sagte, er weiß nun, wer die FBI -Informantin ist, die ständig wahre Wunder vollbringt«, sagte Lawson, als er zu Genaro ans Sichtfenster trat. »Kennen wir diese Irre?«
»Noch nicht.« Genaro gab ihm Foto und Bericht. »Klemmen Sie sich dahinter. Bis Ende der Woche muss sie überprüft und hergebracht sein.«
»Ja, Sir.« Lawson überflog die erste Seite. »Von Phoenix habe ich gehört: kleine Firma mit exzellentem Ruf.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn sie verbergen will, was sie treibt, hätte sie besser einen anderen Beruf ergriffen.«
Genaro beobachtete schweigend, wie zwei Laboranten eine lange, mit einem Tuch bedeckte Kiste auf
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