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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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sechzehntausend Quadratmeter mitten in Atlanta erworben und in einen öffentlichen Park verwandelt hatte, der nach dem Muster eines berühmteren Platzes weiter im Südosten Georgias angelegt war. Sie hatte das alles durch ein hiesiges Verschönerungskomitee erledigen lassen und der Stadt das Gelände unter zwei Bedingungen geschenkt: dass es den Namen erhielt, den sie dafür bestimmt hatte, und dass es nie zweckentfremdet werden durfte. Dies war ihr kleines Zuhause fern der Heimat, und wenn sie auf den gepflasterten, mit Magnolien und Azaleen bestandenen Wegen spazierte, war es fast, als wäre sie wieder dort.
    Der meisterhafte Brunnen – die Kupferstatue eines Phoenix, der sich aus den Flammen des Beckens erhob – war so neu, dass er im Sonnenlicht noch rosig schimmerte, doch bald würden Wind und Wetter das Metall grün verfärben. Kaum hatte Jessa sich auf der Bank vor dem Brunnen niedergelassen, spürte sie das Gewicht alten Kummers und das Stechen neuer Ängste.
    Sie konnte nicht so weitermachen, das wusste sie. So vorsichtig sie auch war: Irgendwann würden die Behörden nach ihr suchen. Und dann kämen die unvermeidlichen Fragen:
Woher wussten Sie das? Wer hat Ihnen davon erzählt? Welche Beweise haben Sie?
    Sie würden es merken, wenn sie log. Und wenn sie ihnen die Wahrheit sagte, würden sie sie einweisen.
    Sicher: Jessa könnte aufhören, dem FBI zu melden, was sie entdeckte, wenn sie ins
Zwielicht
trat. Dann würde North & Co. Ellen Farley allenfalls als jemand, der die Identität eines anderen angenommen hatte, der Polizei übergeben. Bei diesem Vorwurf käme sie sicher gegen Kaution frei, würde die Stadt mit ihrem Partner Max verlassen und anderswo einen neuen Schwindel aufziehen. Heutzutage, wo alles elektronisch lief, waren Computergauner wie die beiden eine verbreitete Verbrecherkaste. Die Firmen schrieben ihre Verluste ab und verbesserten die Sicherheitsmaßnahmen. Bei Unterschlagungen wie diesen wurde ja niemand wirklich geschädigt, und oft führten sie zu verbesserten Geschäftspraktiken.
    Was nur Max und nun auch Jessa wussten: Diesmal würde jemand sterben: Ellen.
    Denn Ellen hatte mit Max geschlafen, als Jessa im
Zwielicht
in ihre Seele geblickt hatte, und aufgrund dieser körperlichen Nähe hatte Jessa auch in seine Seele schauen können. Wenn Ellen diesen letzten Job erledigt hätte, würde ihr Freund sie töten, ihr alle Verbrechen anhängen, die sie zu zweit begangen hatten, das Land verlassen und auf die Inseln reisen, wie er das schon siebenmal getan hatte. Dort würde er das unterschlagene Geld auf ein fettes Nummernkonto überweisen, auf dem bereits zwanzig Millionen Dollar aus seinen früheren Verbrechen lagen. Und dann würde er sein nächstes Opfer suchen und heranziehen und ihm beibringen, wie das Spiel lief.
    »Ich kann damit aufhören«, sagte Jessa, als würde der Brunnen ihr zuhören, »kann mich zurücknehmen und meine Leute ihre Arbeit machen lassen. Sie haben die Fähigkeiten und technischen Voraussetzungen. Sie brauchen mich nicht.«
    Um ihr Dilemma fröhlich unbekümmert, plätscherte das Wasser vor sich hin. Doch da war noch was, eine unsichtbare Gegenwart, die wie eine verlorene Seele knapp außerhalb ihres Gesichtsfelds schwebte.
    Die Vorstellung, er sei da, befreite Jessas Gefühle aus dem engen Gelass, in dem sie sie verwahrt hielt. Sie waren Zwillinge, die verzweifelte Reue und der zehrende Kummer, die aus den Qualen kamen und von der Stille genährt wurden. Jessa verbarg diese Empfindungen vor aller Welt, und im Gegenzug waren sie zu ihren ältesten Freunden geworden, zu ihren engsten Begleitern.
    Sie war all dessen herzlich müde. Sie hatte ihr Bestes getan, die Ellen Farleys dieser Welt zu retten und die Max Grodans daran zu hindern, andere zu schädigen. Wenn sie bis jetzt nicht für ihre Fehler bezahlt hatte, würde sie nie dafür bezahlen. Es würde immer endlosen Ellen- und Max-Nachschub geben, und diese Leute würden mit ihrem Treiben nie aufhören – also sollte vielleicht sie es nun tun.
    »Ich werde nicht den Rest meines Lebens in diesem Park verbringen. Die Albträume sind vorbei. Ich war froh, als sie ausblieben.« Sie betrachtete ihre Hände. »Es muss noch jemanden geben. Einen, den ich berühren kann. Einen, der dir gefällt. Wenn ich an jenem Tag gestorben wäre und nicht du, würde ich mir das auch für dich wünschen.«
    Mit einem Mann zu sprechen, der nicht da war und nie mehr da sein würde, ergab wenig Sinn. Jessa glaubte nicht an ein

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