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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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sicher zu fühlen.
    Rowan verschlang das dürftige Truthahnsandwich und den Selleriesalat und entdeckte dann den letzten Gegenstand in der Box: ein Stück Apfelkuchen in einem hübschen dreieckigen Pappbehälter. Diese Sorte wurde portionsweise gefroren im Supermarkt verkauft und bestand vor allem aus Teig, doch Apfelkuchen war immer ihr Lieblingsnachtisch gewesen, und den hatte sie seit über einem Jahr nicht mehr gegessen. Ihn nun zu sehen, ließ ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen.
    »Ich heiße Deborah«, sagte die alte Dame zu ihr. »Ich besitze ein Haus in der Bronx, das ich mit meiner Schwester Annette bewohne. Sie ist Witwe, und ich habe nie geheiratet – so zusammenzuleben spart uns etwas Geld. Wo wohnst du denn, Herzchen?«
    »Was geht Sie das an?« Rowan bemühte sich, trotzig zu wirken, doch ihr war klar, dass sie das alte Mädchen nicht beeindruckte – nicht mit einer Woche altem Dreck im Gesicht. Kleinlauter setzte sie hinzu: »Ich habe kein Zuhause. Ich bin obdachlos.«
    »Nimmst du Drogen?« Als Rowan sie zornig anfunkelte, lächelte Deborah. »Das hatte ich auch nicht vermutet. Deine Augen sind zu klar. Hast du Probleme mit der Polizei?«
    »Nicht, solange ich nicht geschnappt werde. Nächstes Jahr bin ich zu alt, um wieder zu Pflegeeltern gesteckt zu werden.« Verärgert darüber, zu viel erzählt zu haben, schob sie der alten Dame den Kuchen hin. »Danke, dass ich Ihr Essen haben durfte. War echt anständig von Ihnen. Ich muss jetzt los.«
    Deborah zog die schmalen silbernen Augenbrauen hoch. »Wohin? Du hast doch gesagt, du hast keine Wohnung.«
    »Sie sollten so was nicht tun«, erwiderte Rowan. »Leute wie mich anzuquasseln … ist gefährlich. Sie wissen nicht, wer ich bin. Ich könnte Sie zusammenschlagen und ausrauben.«
    »Bis mein Scheck am nächsten Ersten kommt, habe ich sowieso kein Geld«, gab die alte Dame zurück. »Aber ich habe ein hübsches kleines Haus mit einem ungenutzten Zimmer und keine Söhne oder Töchter, die sich um mich und Annette kümmern könnten. Was hältst du davon, es dir anzusehen?«
    »Warum?«
    »Du bist mitgekommen, um mir zu helfen, obwohl das Essen alle war.« Als Rowan etwas antworten wollte, winkte sie ab. »Du würdest mir einen Gefallen tun. Ich muss den Bus nehmen, weißt du, und mit dem fahre ich ungern allein. Die jungen Männer auf den Sitzen hinten beobachten mich immer.«
    Rowan hatte sie begleitet und genug Kleingeld aus ihren Taschen gegraben, um den Busfahrschein zu bezahlen. Tatsächlich handelte es sich um ein kleines, aber gepflegtes Haus in der Bronx mit Geranien in den Blumenkästen und Spitzengardinen vor den Fenstern. Deborahs Schwester – eine etwas ältere Frau, deren gekrümmte Finger von fortgeschrittener Gelenkentzündung zeugten – hatte sie willkommen geheißen wie eine Nichte, Wirbel um sie gemacht, ihr Tee und Kekse angeboten und sie dann gebeten, ihr bei der Zubereitung des Abendessens zur Hand zu gehen, das Rowan dann verspeisen helfen musste. Als Rowan die Teller wusch, lag Annette ihrer Schwester in den Ohren, sie solle sie für die Nacht zum Bleiben auffordern, da inzwischen keine Busse mehr fuhren.
    Rowan wollte gehen, doch die beiden alten Mädchen mochten nichts davon hören. Deborah überredete sie, ihr kleines Bad zu benutzen, und als Rowan aus der Dusche kam, wartete ein Stapel saubere, gefaltete, alte Kleidung neben dem Waschbecken auf sie. Ihre Lumpen waren verschwunden, und später fand sie heraus, dass Deborah sie sofort draußen in den Müll geworfen hatte.
    So betagt und zart die Schwestern waren, so erstaunlich stur waren sie auch und weigerten sich, auch nur ein Wort von dem anzuhören, was Rowan sagte. Kurz nach neun fand das Mädchen sich auf dem Bett im ungenutzten Zimmer wieder und sah ungläubig in dem schmucken kleinen Reich herum, während Deborah ihr durch die Tür zurief: »Gute Nacht. Bis morgen!«
    Sie war am Abend bei den Schwestern geblieben und hatte sich in dieses richtige Bett gelegt. Die frischen Laken und flauschigen Kissen hatten sich an ihrer sauber geschrubbten Haut so gut und weich angefühlt, dass sie sich eine Zeit lang darin gewälzt hatte, aber am Ende war die weiche Matratze doch zu ungewohnt gewesen, und sie war mit Laken, Deckbett und Kissen auf den Fußboden umgezogen.
    Am Morgen schüttelte Deborah sie sanft an der Schulter, um sie zu wecken. Sie sagte nichts dazu, Rowan auf dem Boden anzutreffen, sondern bat sie, mit ihr und ihrer Schwester zu frühstücken. Bei selbst

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