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Dunkle Beruehrung

Dunkle Beruehrung

Titel: Dunkle Beruehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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gebackenen Waffeln, Würstchen und dem besten Kaffee, den Rowan je getrunken hatte, boten die zwei ihr eine Arbeit als ihre Haushälterin und Begleiterin an.
    »Wir würden dich entlohnen, wenn wir das Geld dafür hätten«, sagte Annette, und ihre freundlichen Augen blickten besorgt, »aber wir haben kaum genug, um unsere Medikamente und die Lebenshaltungskosten zu bezahlen. Deshalb können wir dir nur Kost und Logis bieten.«
    Rowan begriff nicht. »Warum mir?«
    »Du hast weder Arbeit noch Familie«, erwiderte Deborah. »Annette und ich kommen ganz gut zurecht, aber wir brauchen einen jungen Menschen, der uns unterstützt. Und du brauchst ein Zuhause. Das passt doch ausgezeichnet zusammen.«
    »Aber Sie beide wissen doch nichts über mich«, wandte Rowan ein. »Ich könnte eine Diebin oder Mörderin sein. Ich könnte Sie ausnutzen, alles Wertvolle hier an mich nehmen, während Sie schlafen, und verschwinden.«
    »Unsinn«, sagte Deborah mit ernster Miene. »Du bist ein gutherziges Mädchen – das kann jeder erkennen. Und indem wir dir kein Gehalt zahlen, nutzen wir außerdem
dich
aus.« Sie stand auf. »Deine erste Aufgabe ist, mir mit diesen Tellern zu helfen. Annette lässt ständig Geschirr fallen.«
    Ihre Schwester nickte. »Mit meiner Arthritis führe ich mich plumper auf als ein Republikaner in einer Schwulenbar.«
    Rowan wusste, was sie außerhalb des kleinen Hauses erwartete, und die letzten drei Jahre hatten sie gelehrt, Freundlichkeit nicht zu hinterfragen. Also zog sie in das ungenutzte Zimmer, wurde Haushälterin und Begleiterin der Schwestern und vergalt deren Freundlichkeit damit, das Haus blitzblank zu halten und aus dem Essen, das sie sich leisten konnten, die köstlichsten Mahlzeiten zuzubereiten. Die Schwestern kamen mit ihren monatlichen Sozialleistungen nur gerade eben über die Runden, und so wurde Rowan eine Meisterin darin, mit Gutscheinen verbilligt einzukaufen und die Sonderangebote aller Läden ringsum zu nutzen.
    Jedes Wochenende half sie Deborah beim Kochen für die Obdachlosen in der Kirche, bekam durch ihre Arbeit dort eine Teilzeitstelle angeboten und lieferte dem Eigentümer eines Gemischtwarenladens bald Muffins und Kekse. Am Ende des ersten Jahres, das sie mit den Schwestern verbrachte, verdiente sie genug, um Kost und Logis zu bezahlen und ihrer aller Lebensbedingungen erheblich zu verbessern.
    Deborah weigerte sich strikt, Miete von ihr anzunehmen, doch Rowan sorgte mit ihren Einkünften dafür, dass die alten Damen nichts entbehren mussten. Sie hätte mit den beiden für alle Zeiten glücklich zusammengelebt, doch eines Morgens wachte Annette nicht mehr auf. Nach der Beerdigung ihrer Schwester schien Deborah über Nacht zu altern.
    »Ich wollte nie herumschnüffeln, Rowan, aber das muss ich jetzt tun, wenn wir über deine Zukunft reden sollen«, hatte die alte Dame eines Abends beim Essen zu ihr gesagt. »Ich kann Annette nicht nachfolgen, solange ich nicht sicher bin, dass es dir gut gehen wird.«
    »Sie gehen nirgendwohin«, versicherte Rowan ihr.
    »Ich bin siebenundachtzig, Herzchen«, konterte Deborah. »Wir wissen beide, dass ich nicht mehr lange auf dieser Welt bin. Ich möchte dir das Haus hinterlassen und alles, was wir haben, aber unser Anwalt sagt, dafür muss ich ihm deinen vollen Namen und deine Sozialversicherungsnummer geben.« Sie musterte Rowan. »Wenn wir das tun, finden sie dich, oder?«
    Rowan wollte das schon abstreiten, seufzte dann aber. »Ja, dann finden sie mich. Ich könnte Ihnen alles erklären, doch Sie würden mir nicht glauben.«
    »Ich weiß es schon«, erwiderte Deborah und wirkte dabei leicht beschämt. »Du redest im Schlaf. In den ersten Wochen bei uns haben Annette und ich dich abwechselnd belauscht.«
    »Sie wissen alles?«
    Deborah nickte. »Ich lasse nicht zu, dass du wieder in Gefahr gerätst. Also muss ich das Haus verkaufen, bevor ich gehe. Und für das Geld lassen wir uns Travellerschecks geben.«
    Rowan schüttelte den Kopf. »Selbst wenn Sie das täten – und das werde ich nicht zulassen –, könnte ich sie nicht einlösen.« Sie streichelte Deborahs zarte Hand. »Vermachen Sie alles der Kirche, wie Sie und Annette es geplant hatten. Ich arbeite jetzt, und wenn es so weit ist, suche ich mir eine Wohnung. Ich komme schon klar.«
    »Und deine Vergangenheit?«
    »Ist tot und begraben.« Rowan zupfte an ihrem Ärmel und zog ihn über den schwarzen Drachen, den sie sich jüngst hatte stechen lassen, um das alte Tattoo zu verdecken.

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