Dunkle Beruehrung
Scheiße.« Sie stieß das Messer ins Schneidebrett und drehte sich erst zu Matthias um, als sie sich gefasst hatte. »Entschuldige. Du hast mich erschreckt. Wo ist das benommene und verwirrte Herzchen?«
»Jessa sitzt am Computer.«
»Wir lassen sie unsere Geräte benutzen?« Sie lehnte sich mit dem Rücken an den Küchentresen. »Soll ich ihr die Telefonnummer von GenHance aufschreiben? Das könnte die Dinge beschleunigen.«
»Jessa muss erfahren, was Genaro ihr angetan hat, und dazu braucht sie den PC .« Er trat an den Herd und hob den Deckel vom Soßentopf. »Riecht sehr gut.«
»Und braucht noch eine Viertelstunde.« Sie nahm ihm den Deckel ab und setzte ihn wieder auf den Topf. »Soll ich das auf einem Tablett servieren oder speist Ihre Hoheit heute in der Küche?«
»Wir essen hier – wie immer.« Er runzelte die Stirn. »Warum bist du sauer auf mich?«
»Ich weiß nicht. Ich sollte wohl ein paar Supertalente aufreißen, anschleppen und ihnen diesen Ort überlassen. Das würde die Dinge erheblich beleben.« Seine verständnislose Miene ließ sie die Fäuste ballen. »Du hast sie allein an einen PC gelassen, eine Stunde nach dem Aufwachen – und du siehst nichts Falsches daran?«
»Jessa passt sich rasch an. Sie wird uns als Freunde akzeptieren.«
»Falls du es vergessen hast: Wir kennen Jessa nicht. Verdammt, Matt.« Sie riss die Arme hoch. »Du hast nicht die leiseste Ahnung, was in ihrem Kopf vorgeht. Sie könnte komplett ausflippen, die Ausrüstung zerstören, durch die Gegend rennen und um Hilfe schreien –«
»Ich glaube, sie prüft auf dem verschlüsselten Server ihren Kontostand«, erwiderte er sanft. »Danach will sie unsere Informationen über Genaro durchsehen, und vermutlich schickt sie ihren Freunden eine Warnung.«
»Sicher. Gut. Irre.« Rowan wandte sich wieder dem Tresen zu und gab die selbst gemachten Linguine in kochendes Wasser. »Wir essen in zehn Minuten.« Sie erstarrte, als er ihr die Hand auf die Schulter legte. »Lass das.«
»Ich habe die Sicherheitsvorkehrungen nicht deaktiviert – sie kann also nicht raus«, versicherte er ihr. »Aber wenn wir ihr Vertrauen gewinnen wollen, muss sie glauben, sie könnte es.«
Rowan atmete aus. »Sie ist nicht dumm. Sie wird so oder so versuchen, abzuhauen.«
»Das glaube ich kaum. Nicht, wenn sie merkt, was Genaro getan hat. Sie ist eine gute Frau, Rowan. Wir werden sie überzeugen, uns zu helfen.« Er drückte ihr liebevoll die Schulter und verließ die Küche.
Eine gute Frau. Eine, der man trauen konnte. Natürlich war sie das.
Der Dampf des Nudeltopfs erhitzte Rowans Gesicht, doch sie rührte sich nicht. Vor einem Jahr war sie eines Abends mit einem Handspiegel in Matthias’ Schlafzimmer geschlichen, hatte sich zu ihm gesetzt und sich dabei zugeschaut, wie sie ihn berührte und sich verwandelte. Ihre Begabung erlaubte ihr, das weibliche Idealbild eines jeden Mannes anzunehmen und wie die Frau auszusehen, in die er sich schließlich verlieben würde. Sie hatte unbedingt erfahren wollen, wen Matthias lieben könnte, doch das wunderschöne, königliche Gesicht im Spiegel war ihr unbekannt. Sie hatte nur herausgefunden, dass sein Frauenideal ihr ganz und gar nicht ähnlich sah.
Danach hatte sie dieses Gesicht noch zweimal gesehen: beim Hochladen des Führerscheinfotos von Minerva Starret und als sie Jessa Bellamy begegnet war.
Sein Traummädchen war da, und nun würde die beiden nichts mehr trennen. Nicht einmal ihre Liebe zu Matthias.
Rowan sah zu, wie die langen Pastastreifen im kochenden Wasser tanzten, und vergoss dabei bittere Tränen, die eine nach der anderen im Topf landeten.
9
Lawson erinnerte sich an kaum etwas, nachdem Genaro gegangen war. Die Ärzte kamen zurück, und er schrie sie an, ihn in Frieden zu lassen, bis einer der beiden ihm eine Infusion verpasste. Weil danach alles zu verschwimmen begann, musste es sich um ein Beruhigungsmittel gehandelt haben. Er war zu betäubt, um mit ihnen zu kämpfen, als sie ihn auf eine andere Trage zerrten, und kaum hievten sie ihn auf ein Bett, wurde er ohnmächtig. Irgendwann wachte er im Dunkeln auf. Glühender Schmerz bohrte in seiner Hüfte und ließ ihn heulen, bis jemand ins Zimmer kam. Eine Krankenschwester mit fettem Gesicht plapperte auf ihn ein, er solle Ruhe geben, und stach ihm dabei etwas in die Hüfte, was sich nach einem Eispickel anfühlte. Er hätte ihr gern einen Faustschlag verpasst, doch plötzlich sah er sie dreifach, und das Trio tanzte im Zimmer
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