Dunkle Beruehrung
Aufwachen und war beinahe amüsiert. »Woher willst du wissen, dass ich das nicht getan habe?«
»Dafür war sie zu fix wieder draußen.« Sofort begriff sie, was sie gesagt hatte, und sah auf ihre Stiefelspitzen. »Schon klar – da hätte ich die Zeit nicht stoppen dürfen. Hör mal, ich weiß, wann ich überflüssig bin. Also lass mich nachsehen, was in Atlanta los ist.«
»Nein. Vorläufig bleibst du hier.« Er trat auf sie zu und ergriff ihre kalte Hand. »Es stimmt vieles von dem, was du sagst, Rowan, aber egal, was ich von Jessa will – dass sie hier und am Leben bleibt, ist meine wichtigste Aufgabe. Wir brauchen ihre Gabe, um die Suche fortzusetzen. Und ohne dich schaffe ich das nicht.«
»Na gut, also drücke ich mich erst mal weiter hier rum.« Sie entzog ihm ihre Hand und sah ihn verletzt an. »Aber glaub nicht, dass ich mich bei ihr einschleime.«
Rowan ging, und als Jessa zu Matthias in die Bibliothek kam, hatte er die Bücher bereits in die richtige Reihenfolge gebracht. Sie hatte gebadet, sich umgezogen und ihr feuchtes Haar zu einem langen Zopf geflochten; und sie duftete nach Rowans Shampoo und seiner Seife.
»Setzen Sie sich.« Er wies auf einen Stuhl am Feuer. »Gab es genug heißes Wasser?«
»Ja, danke.« Sie blickte sich im Zimmer um, als wollte sie ihm nicht in die Augen sehen. »Eine hübsche Bibliothek ist das. Wie lange haben Sie gebraucht, um so viele Bücher zusammenzutragen?«
»Zehn Jahre.« Er nahm ein Eichenscheit aus dem Holzkorb und legte es ins Feuer. »Und Rowan hat in letzter Zeit auch einiges über Internet-Buchshops gefunden. Bücher werden inzwischen ja auch versandt.« Das fand er noch immer befremdlich.
»Die Leute haben nicht immer die Muße, in echten Läden einzukaufen.« Ihr Blick schoss von den Büchern in sein Gesicht und weiter auf den Boden. »Wissen Sie, für einen Bücherwurm hätte ich Sie nicht gehalten.«
»Als Junge hatte ich keine Zeit zum Lesen. Draußen gab es immer Interessanteres zu tun.« Und wie viel Ärger hätte er sich und vielleicht auch der Welt erspart, wenn er ein Gelehrter geworden wäre, wie sein Vater es gewollt hatte! »Lesen Sie mitunter Geschichtsbücher?«
»In der Schule habe ich das getan. Inzwischen fehlt mir meist die Zeit, und wenn ich lese, dann Romane.« Sie schien ihr Unbehagen zu vergessen, und ihre Brauen rückten zusammen. »Wollten Sie das bereden? Welche Bücher ich lese?«
»Es erleichtert die Dinge wohl, wenn ich Ihnen einiges zeige.« Er musste jetzt behutsam vorgehen. »Ich habe diese Bände zusammengetragen, nachdem ich festgestellt hatte, dass es auf der Welt noch andere gibt, die so sind wie ich. Vor zehn Jahren kam ich mit dieser Sammlung nach Amerika.« Er trug die ältesten Handschriften zum Tisch und legte sie vor Jessa hin. »Mir war klar, dass ich den anderen beweisen muss, was wir sind.«
Sie rückte etwas zur Seite, um ihn nicht zu berühren. »Anderen, die so sind wie Sie und Rowan?«
Er hatte erwartet, dass sie weiter verleugnen würde, was sie war, und doch empfand er Ungeduld. »Ja.«
»Wie beweisen ein paar alte Bücher, was Sie sind?«
»Das tun sie nicht«, gab er zurück. »Sie beweisen, was wir gewesen sind.« Er legte die Hand auf das oberste Buch. »Egal, zu welcher Zeit: Die Leute haben stets aufgezeichnet, was sie wissen. Mögen sie auch alle ringsum belügen – die meisten haben das Bedürfnis, die Wahrheit aufzuschreiben, zum Beispiel in Tagebüchern wie diesem.« Er nahm das Buch. »Es gehörte einem englischen Priester namens Ennis von Aubury. Er hat Ungläubige verhört und ihre unter der Folter erpressten Geständnisse aufgezeichnet.«
Sie fuhr ein wenig zurück. »Was bringt Sie dazu, etwas so Scheußliches zu lesen?«
»Die Suche nach seiner Wahrheit.« Er schlug die Seite auf, wo ein Lesezeichen lag. »Lesen Sie.«
Jessa sah flüchtig auf die Schrift. »Tut mir leid, das kann ich nicht. Das ist schließlich kein Englisch.«
Lateinische Texte zu lesen war selbstverständlich für ihn, und so vergaß er oft, dass die meisten Amerikaner diese auch für das Englische wichtige Sprache nicht beherrschten. »Ich übersetze für Sie. Ennis schreibt: ›Wieder wurde ein Bauer ermordet auf einem Feld gefunden, wieder mit herausgerissener Kehle, doch in der Wunde war kein Blut. Ich habe den verbrecherischen Ketzer befragt, und er hat mir von dem Abtrünnigen und seinem Begleiter erzählt, den beiden, die nicht getötet werden konnten. Für mich ist klar, dass die ›dark Kyn‹
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