Dunkle Burg
Rotmilan, dass es abseits der Fuhrwerke geeignetere Beute gebe, und er zog in weiten Kreisen höher, um danach Ausschau zu halten, verlagerte seine Suche dabei mehr nach Norden.
Da. Ein weiterer Trupp Berittener, der sich in einer Kolonne rasch von der Landstraße entfernte und dem Ort des Überfalls bereits ferner war als wir. Auch war es ein wesentlich größerer Trupp. Wenigstens ein paar Hundert. Ich konnte nicht sagen, wie viele. Das Gehirn des Raubvogels nahm sie als eine Herde wahr. Herden interessierten ihn nicht. Aber das waren Fürst Nathans Feinde, dort unten.
»Was kannst du sehen?« Teskas Hand legte sich auf meine Schulter.
Ich schrak zusammen, dann zuckte ich die Achseln. »Ich kann nichts sehen. Selbst mit dem Talent kann man nicht durch einen Hügel hindurch sehen.«
Das war ein Fehler. Er wurde zornig. »Das ist eine Lüge. Lügen sind Falschheiten, und Falschheit wird dich auf den Scheiterhaufen bringen. Ich weiß, was du getan hast. Ich habe Augen, und ich hatte in Etterden Augen. Was kannst du durch die Augen dieses verdammten Vogels sehen?« Die Finger drückten sich in meine Schulter, bis ich quietschte. »Nichts, was wir nicht schon wissen«, winselte ich. »Es brennen mehrere Fuhrwerke, Tote liegen herum, es hat einen Überfall gegeben. Aber die Angreifer sind längst fort.«
»Wie viele Angreifer?«
»Ich bin nicht sicher…«
»Lüg nicht schon wieder! Wie viele?«
»Ein paar Hundert, nehme ich an. Wie soll ich es wissen? Der Vogel kann nicht zählen.«
»Und sie sind weit weg?«
»Ja. Sie sind in schneller Bewegung, wirbeln viel Staub auf. Der Unteroffizier wird sie nicht einholen. Und wenn er es täte, wäre es schlecht für ihn.«
»Erzähl mir von ihnen.«
»Was soll ich erzählen? Der Vogel interessiert sich nicht für…«
»Dann musst du sein Interesse wecken. Lass ihn näher herangehen.«
»Ich kann nicht…«
»Doch, du kannst. Dies ist der erste Test deiner Nützlichkeit für den Fürsten. Sieh zu, dass du ihn bestehst. Jedes Versagen verringert deine Brauchbarkeit.«
Die Hand, die meine Schulter gepackt hielt, zog mich herum, und ich musste zum Himmel hinaufstarren, wo der Raubvogel nur noch ein Punkt war, der in der leichten Morgenbrise langsam steigend seine Kreise zog. Ich verband sein Bewusstsein mit meinem, und auf einmal hatte er das Gefühl, er müsse sich die Reiter im Norden näher ansehen. Er trieb auf den Luftströmungen, die er so gut kannte, näher.
Ich schloss die Augen. In dem Maße, wie der Vogel sich entfernte, wurde sein Bewusstseinsfunke schwächer, und ich musste mich anstrengen, in Sicht zu behalten, was er aufnahm. Da waren sie. Ich runzelte die Brauen, und als ich Einzelheiten wahrnehmen konnte, erläuterte ich sie laut. »Ein paar Hundert, wie ich sagte. Männer auf Maultieren und Pferden. Sie reiten querfeldein so schnell sie können. Einige tragen Rüstungen, ungefähr die Hälfte… Ich erkenne es an den…«
Teska grunzte. »Rüstungen. Dann werden es Schwestern sein.«
Schwestern?
Ohne mich loszulassen, sagte Teska: »Sieh zu, ob du ein Banner ausmachen kannst, ein Feldzeichen, irgendetwas, was uns sagen könnte, wer sie sind.«
»Der Raubvogel kann es nicht sehen.«
»Ich dachte, Raubvögel hätten gute Augen.« Der Sarkasmus war nicht zu überhören.
»Für Bewegungen im Gras. Kleine Tiere. Nicht für dies. Er hat so etwas nie gesehen und weiß nicht…«
»Dann soll er näher herangehen.«
»Ich glaube nicht…«
»Ich fragte dich nicht, was du glaubst. Tue es.« Die Hand presste meine Schulter zusammen.
Der Rotmilan ging nur sehr widerwillig tiefer und war inzwischen weit entfernt und außer Sicht. Ich konnte sein Bewusstsein noch fühlen und sehen, was er sah, aber meine Herrschaft über das Tier begann mir zu entgleiten. Ich konnte nur so tun, als ob ein Stück Fleisch fallengelassen wurde, worauf er ein wenig tiefer ging. Und ja, da war ein Wimpel, eine flatternde kleine Flagge auf einer Lanze, die einer der Reiter trug. Und noch etwas, ein viereckiges Banner von stumpfblauer Farbe.
Ich drängte ihn energischer, und der Vogel ging noch tiefer. Die kleine Flagge war stumpfrot und hatte etwas wie ein graues Fass darin. Die andere zeigte eine Blume…
Will
Silvus hob den Kopf. Er war trübsinnig mit dem Kinn auf der Brust geritten, weil es ihm nicht gefiel, hilflose Lebewesen zu töten, selbst wenn es zu unserem Vorteil war. Die Trossfuhrleute und ihre kleine Eskorte waren von unserem Angriff völlig überrascht
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