Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
bereits, dass auch hier di e Möbel auf Löwentatzen ruhten.
Aber wo war Robert? Sie hatte ja nicht einmal eine Einladung der Gastgeber in der Hand, die sie vorweisen konnte. Sie erreichte die Halle vor dem Eingang. Sie blieb stehen und suchte mit den Augen nach Robert. An ihr vorbei eilten die steifsten Hemdbrüste Berlins, dekoriert von Orden und flankiert von Abendroben, deren Trägerinnen in Diamanten und Edelsteinen paniert schienen. Tiaren und Colliers, Broschen, Ohrringe und Armbänder gleißten im Licht der Eingangshalle. Jede damenhafte Handbewegung verschoss ein Feuerwerk von Blitzen. Heute Abend war kein einziger Diamant der Berliner Gesellschaft im Safe geblieben. Das war man dem Gastgeber schuldig. August Stauch war der größte deutsche Diamantminenbesitzer von Südwest-Afrika.
Jayata betrachtete den Auftrieb mit wachsendem Unbehagen, bis sich endlich die unverwechselbaren Hände von hinten auf ihre Schultern legten. Erlöst wandte sie sich um. Seine Augen waren weit vor Staunen, als er sie ansah: „Liebste, ich habe Dich im ersten Augenblick gar nicht erkannt. Wie schön Du bist. Ich hätte Dich schon längst ausführen sollen.”
Sie stiegen zusammen die Treppe hinauf in das Foyer. Viele Blicke folgten ihnen. Ältere Damen steckten indigniert die Köpfe zusammen, ältere Herren schielten begehrlich aus den Augenwinkeln, junge ganz unverhohlen auf die große, elegante Frau im Herrensmoking. Ein schwarzer Panther in einem Gehege voll alter Pfauen.
Schon mal irgendwo gesehen? … Völlig unbekannt … der Mann? Kann mich dunkel erinnern … irgendwas mit Politik, Partei oder so … nein, nein, überhaupt keine gesellschaftliche Rolle … würde ihn sonst kennen. Ein Männersmoking … alles was recht ist … bestimmt ein Filmsternchen … Künstlermilieu … na ja, der gute Stauch, ist halt ein bisschen exz entrisch … immer schon gewesen .
So köchelten verdeckt die Vermutungen und Taxierungen über das ungewöhnlich perfekte Paar, und so manche Dame, die sich an Jayatas Anblick so gar nicht weiden konnte, tat es im Geheimen umso heftiger an ihrem Begleiter, auch wenn dessen Abendgarderobe nicht die beste war. Aber wer brauchte bei so einer Figur schon einen guten Herrenschneider? August und Ida Stauch standen in der Mitte des Foyers und begrüßten ihre Gäste. Die Luft flirrte von Artigkeiten, dem Rauschen der Kleider, dem Zischen von Champagnerkorken und den Wiener Walzern eines Streichquartetts im großen Salon. Der Hausherr war ganz in seinem Element. Von mittlerer Statur und bedroht von Wohlstandsspeck, strahlte sein rundes Gesicht heitere Gelassenheit aus. Seine graublauen Augen schauten aufmerksam auf jeden neuen Gast, ganz so als erwarte er tatsächlich immer noch, hinter all dem eifrig zur Schau gestellten Reichtum etwas Neues zu entdecken.
„Ah, von Wolf! Ausgezeichnet dass Sie da sind, und noch dazu in so charmanter Gesellschaft. Gnädiges Fräulein …” Jayata wurde vorgestellt, der massige graue Kopf beugte sich über ihre Hand. „Mein Lieber, ich möchte auf keinen Fall, dass Sie ihre Begleiterin heute Abend vernachlässigen, aber wir müssen bei einer Zigarre ein paar Takte über Ihre Untersuchungen reden. Ich bitte Sie, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, schöne junge Dame.” Stauch war ein wenig schwerhörig und hatte den amerikanischen Namen nicht verstanden.
Ida, seine Frau, war mit Anfang vierzig weniger verblüht, als viele andere Frauen in ihrem Alter. Es mochte daran liegen, dass sie nicht so stark geschminkt war und weil ihr rundes, hübsches Gesicht, von Natur aus gut aufgepolstert, der Schwerkraft länger widerstehen konnte. Ihr taubenblaues Kleid war aus erlesenem Stoff und von uninspiriertem Schnitt. Diamanten fand man auffällig wenige an ihr. Sie strahlte Häuslichkeit, Güte und ein klein wenig Unbehagen über ihre Rolle an diesem Abend aus. Genauso wie ihr Haus, war auch sie für den ganz großen Jahrmarkt der Eitelkeiten nicht gemacht. Jayata und Robert schlenderten Seite an Seite weiter durch die festlich herausgeputzte Belle Etage. Hin und wieder traf Robert Bekannte und stellte sie ihr vor. Nebenbei erzählte er ihr die Lebensgeschichte des Gastgebers. Sie war so schillernd, dass sie selbst Harrys Vita übertraf. Etwas, was Jayata bisher für ziemlich unmöglich gehalten hatte.
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Aug ust Stauch war 1907 als Bahnmeister für einen Teil der neuen namibischen Eisenbahnlinie zwischen Swakopmund und Windhuk nach Südwestafrika gekommen. Er
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