Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
voraussehen kann. Was glauben Sie denn, wer den letzten Preissturz am Diamantmarkt ausgelöst hat? Die russische Aristokratie. Ja! All diese Adligen und Hofschranzen und Großgrundbesitzer, die vor diesem Lenin und seinen Schergen wie die Hasen in alle Winde geflüchtet sind. Von Wolf, ich sage Ihnen, die haben ihren Schmuck und ihre ungefassten Diamanten hier und in Amerika pfundweise zu Schleuderpreisen verkaufen müssen, nur um zu überleben. Wir dachten, der Preisverfall nimmt kein Ende mehr. Die Safes in London sind randvoll. Mich wundert, dass die die Türen noch zubekommen, das können Sie mir glauben.” August Stauch nahm bei diesem unerquicklichen Gedanken einen tiefen Schluck aus seinem Cognacglas und seufzte in Eintracht mit dem Chesterfieldsofa. „Nein, nein, künstliche Diamanten, und hätten sie tausendmal alle identischen Eigenschaften ihrer natürlichen Vorbilder, wären eine tödliche Gefahr für uns. Sobald man so etwas machen kann, verliert das Original seinen Mythos. Der Markt wäre für immer zerstört. Also so viel verstehe ich schon von dieser kürzlich entdeckten Psyche des Menschen, um die in Wien jetzt so viel Wind gemacht wird.” Noch ein Schluck, leichtes Wedeln mit der Havanna. „Allerdings könnte ich mir ein Szenario vorstellen, wo die Sache schon ganz anders aussehen würde. Schließlich bin ich ja kein sturer alter Esel, der alles Neue von vornherein verurteilt.” Diese Koketterie ging eher in Jayatas Richtung.
Robert schaute aus dem Ohrensessel über seine hochaufgestapelten Knie gespannt auf Stauch. „Was wäre das Ihrer Meinung nach?”
„Tja, sehen Sie, lieber von Wolf, wenn es der Wissenschaft gelänge zu erforschen, warum ein Diamant klar und hell ist, während ein anderer, der genau neben ihm liegt, trüb ist. Dann könnte rein theoretisch ein kluger Kopf eines Tages auch herausfinden, wie dieser Makel zu beheben ist.”
„Ja, aber das würde doch das Aufkommen der Rohdiamanten in Schmuckqualität genauso vergrößern. Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinaus wollen.”
“Genug kleinere Diamanten haben wir, von Wolf. Sagen wir einmal, so bis zwei oder drei Karat. Wenn es aber in höhere Gewichte geht, sechs, sieben, acht Karat, dann wird die Sache schon schwieriger. Bei Zehnkarätern und mehr wird es, verdammt noch mal, verflucht eng. Es besteht mehr Käuferinteresse an diesen Steinen, als man auf den ersten Blick vermuten möchte. Deshalb ist es doppelt ärgerlich, wenn wir große Rohdiamanten finden mit gar keinen oder nur sehr kleinen Einschlüssen, die aber eine hässliche dunkle Farbe haben oder vollkommen trüb sind. Pure Verschwendung von Mutter Natur.”
Robert war aufgesprungen. Dieser Ansatz war neu, war aufregend. Er strich auf Stauchs purpurrotem Täbris auf und ab. Mein Gott, das hatte wirklich etwas. „Wenn das gelänge, ein absolut faszinierender Gedanke. Es hätte natürlich auf den Markt für farbige Diamanten einen noch viel größeren Einfluss, sie sind ja ungleich seltener.”
„Sehr richtig erkannt, mein Lieber. Goldrichtig. Ich weiß von Fällen, wo Händler jahrelang für einen Kunden nach einem bestimmten Stein in einer ganz bestimmten Farbe, sagen wir blau oder rosa, gesucht haben. Wenn dann endlich ein passender auftaucht, kommt es oft vor, dass der Preis durch die Seltenheit des Fundes in unglaubliche Höhen getrieben wird. Ida, meine Frau, ist ja Extravaganzen eigentlich abgeneigt. Aber sie hatte sich vor Jahren schon eine Diamantbrosche in den Regenbogenfarben in dem Kopf gesetzt. Ich glaube, sie trägt sie heute Abend sogar. Selbst bei meinen Beziehungen habe ich Jahre gebraucht, bis ich die Steine zusammen hatte. Die richtige Farbe, die richtige Größe, absolut identisch in den Abmessungen und im Schliff. Na ja, zwischenzeitlich hat sie bekommen, was sie wollte, und jetzt ist hoffentlich für die nächsten Jahre Ruhe.”
Robert stand jetzt am Fenster und hatte die Arme über der Brust verschränkt. Ein Kennerlächeln spielte um seine Lippen. „Ich habe die Brosche heute Abend gesehen. Außergewöhnlich. Ich vermute, sie ist das wertvollste Schmuckstück, das heute hier von einer Dame getragen wird. Sehr schwer zu übertreffen. Kompliment an den Geschmack Ihrer Gattin. Übrigens, das wird Sie amüsieren. Gleich nach uns kam ein älteres Ehepaar. Die Dame zischelte ihrem Mann zu, wie die Gastgeberin auf so einem glanzvollen Fest mit einer Turmalin-Brosche auftauchen könne.”
Die zwei wieherten vor Lachen, und Stauch schlug
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