Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
versuchen? Ich weiß, ich hätte Ihnen alles sofort erzählen sollen, aber …”
Hans drehte sich um und grinste: „Bleiben Sie sitzen. Ich hole nur ein, zwei Gin Tonics und die Karten aus meiner Kabine. Sie werden heute Nachmittag Ihr Examen machen. Ich will sehen, was Sie in den letzten Wochen von mir gelernt haben. Sie werden Ihren Auftrag erfüllen und dem ehrenwerten Mr. Sumpton einen geologischen Fingerabdruck für seine Primärlagerstätte zusammenstellen. Der wird ihn geradewegs in die Hölle führen, wo sein elitärer Upperclass Arsch braten wird, bis die Geier über ihm kreisen. Die passenden Mineralien schicken wir ihm von meinem Labor in Kapstadt. Strengen Sie sich an; der Nachweis muss fehlerfrei, lückenlos und absolut logisch aufgebaut sein, jedenfalls für einen Sesselfurzer wie Sumpton. Es gibt keine Kimberlitpipes mit Diamanten in Südwest. Und deshalb schicken wir den Sumpton auf eine Schnitzeljagd, die ihm unvergesslich bleiben wird. Die Diamanten liegen heute in den versteinerten Austernbänken im Namaqualand. Das werden wir mit unseren Funden beweisen. ”
*****
„Zehlendorf Claim voll mit Katzengold – stop – rate dringend Aktivitäten abzubrechen – stop – Hans”
„Wird er das verstehen?” Robert schaute nachdenklich auf den Text des Telegramms.
„Ja, das wird er. Katzengold ist Pyrit, eine Verbindung aus Schwefel und Eisen. Völlig wertlos. Sieht aber auf den ersten Blick aus wie Gold und hat schon viele arme Teufel denken lassen, sie hätten ihr Glück gemacht. Katzengold war immer schon unser Codewort für Kollaborateure, für falsche Fuffziger, die es bei den meisten Expedition gibt. Ich habe ihm einen ausführlichen Brief geschrieben, der mit dem nächsten schnellen Passagierschiff der Woermannlinie von Luanda zurück nach Deutschland geht.”
Am nächsten Tag, in Sao Paulo de Luanda, der Hauptstadt und dem größten Hafen der portugiesischen Kolonie Angola, aßen sie ein köstliches Mittagessen in einem verdreckten Restaurant in der Nähe der Mole. Luanda hatte zwar auch aufgeräumtere Restaurants zu bieten, aber das „O’Portugal” hatte laut Hans den besten Koch. Über das Umfeld blickte man spätestens nach dem ersten Teller Fischsuppe und der kühlsten Flasche Vinho Verde, die südlich des Äquators angeboten wurde, hinweg. Hans lehnte sich behaglich auf dem wackeligen Küchenstuhl zurück. Glücklich mit sich und der Welt, so wie sie sich an diesem Nachmittag im O’Portugal in Luanda präsentierte, winkte er nach einer zweiten Flasche Wein.
„Essen jetzt noch mal richtig mit Genuss. Meistens kriegen wir auf der letzten Strecke entlang der Wüstenküste von Südwest schwere See. Der Benguela Strom ist eiskalt, die Wüste kochend heiß, und schnelle Wetterumschläge, dicker Nebel und Stürme sind da immer zu erwarten. Den meisten schmeckt’s dann nicht mehr so richtig an Bord. Nach dem Essen sollten wir noch die Gelegenheit nutzen und ein paar gute Tropenanzüge für Sie kaufen. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass wir uns auch hin und wieder in der Zivilisation bewegen müssen, nicht nur im Busch und in der Wüste. Ihre Berliner Anzüge sind viel zu schwer für das Klima. Schadet dem Auftreten genauso wie der Gesundheit.”
Kurz danach durchstreiften sie in Spendierlaune die wenigen Straßen und Plätze der Hafenstadt, wo passende Geschäfte für so eine Anschaffung zu finden waren. Schaufenster waren hier keine große Hilfe. Wenn ein Geschäft überhaupt ein Schaufenster besaß, konnte man hinter seinen sepiafarbenen Schlieren einige vergilbte Zeichnungen aus europäischen Modemagazinen, aber nur wenige Waren entdecken. Meistens solche, bei denen die Ladenbesitzer meinten, dass die Farben durch den Sonneneinfall nicht so schnell verschießen würden. Das war aber dann doch immer der Fall, und nachdem der Schaden einmal entstanden war, ließ man die verschossenen Stücke dann auch etliche Jahre im Fenster liegen. Zu verkaufen waren sie sowieso nicht mehr. Die Leute konnten ja hereinkommen und im Halbdunkel der Geschäfte unversehrte Exemplare der Ware begutachten.
Das taten Robert und Hans dann auch und tauchten in die dunklen Lagerhöhlen des renommiertesten Kleiderhändlers von Luanda ein. Neben turmhohen Stapeln von Arbeitshosen, groben Hemden, Stiefeln, geölten Jacken, Tropenhelmen, Filzhüten und kratzigen Unterhosen tat sich im hinteren Drittel des Ladens eine gut versteckte, der Laufkundschaft nicht so leicht zugängliche Abteilung
Weitere Kostenlose Bücher