Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
kritische Betrachtung war für ihn noch nicht gekommen, denn Robert war auf dieser Reise sehr glücklich. Glückliche Menschen analysieren nicht. Wo bliebe da das Glück?
Die „Kamerun” dampfte über den Äquator. Tag und Nacht teilten sich hier in exakt zwölf Stunden ein, mit unglaublich kurzen Sonnenauf- und -untergängen, wie ein Kulissenwechsel im Theater. Die Sternbilder der südlichen Hemisphäre erschienen am Nachthimmel, und das Wasser floss nicht mehr gegen sondern mit dem Uhrzeigersinn aus den Waschbecken ab. Eine Tatsache, die Robert mehr faszinierte, als das lyrisch überstrapazierte Kreuz des Südens. War er bis jetzt ganz in den sinnlichen Eindrücken der Reise aufgegangen, so wurde er nun von Ungeduld erfasst. Seine Gedanken drängten vorwärts, tiefer nach Süden. Er wollte nicht mehr vorbeifahren und zusehen, sondern das Land unter seinen Füßen spüren.
Aber es drängte ihn noch etwas anderes. Er wusste jetzt, was Roderick Sumpton wirklich von ihm wollte. Die vielen Unterrichtsstunden in Geologie und Prospektion, die langen vertraulichen Gespräche mit Hans über die Machtverhältnisse im Diamantgeschäft hatten ihm die Augen geöffnet. Zwar durchschaute er Sumptons Plan noch nicht in allen Einzelheiten, aber er hatte erkannt, dass es ihm um den geologischen Fingerabdruck der Hauptlagerstätte der südwestafrikanischen Diamantfelder ging. Das Auseinanderbrechen des Urkontinents Gondwana in Afrika und Südamerika interessierte den Engländer in Wahrheit so wenig, wie ein umgekippter Reissack in der Kronkolonie Indien. Und ihn, Robert, hatte dieser Amateur-Machiavelli von der Themse für dumm genug gehalten, ihm aus Naivität und Ruhmsucht die entscheidenden Informationen zu liefern. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr kam er zu der Überzeugung, dass die Begegnung mit Sumpton kein Zufall gewesen sein konnte. Roger Holborn hatte das alles eingefädelt. Sie hatten Informationen über ihn eingeholt in Berlin, hatten, bevor er überhaupt mit Hans in London angekommen war, gewusst, dass Merensky ihn in sein Prospektionsteam aufgenommen hatte. Sie nutzten seine empfindlichsten Stellen und waren ihrem Ziel verdammt nahe gekommen. Wer hatte ihnen die Informationen aus Berlin zukommen lassen? Es konnte nur eine Person sein, die sich nahe im Umfeld von August Stauch aufhielt. Was würden sie noch alles aus dieser Quelle erfahren? Er musste mit Hans reden, ihn warnen, auch auf die Gefahr hin, ihn wirklich zu verärgern, weil er Sumptons wahre Absicht nicht sofort erkannt und ihm unverzüglich alles berichtet hatte. Aber besser spät als nie.
„Diese Laus, diese widerliche, hinterhältige Laus! Natürlich ist Holborn bis zur Halskrause in das Komplott verstrickt!” Hans hatte Robert bis zu diesem Punkt schweigend zugehört und die meiste Zeit, die Ellbogen auf die Knie gestützt, mit gesenktem Kopf dagesessen. Jetzt, nachdem er den ersten Dampf abgelassen hatte, lehnte er sich mit einer wuchtigen Bewegung in den ächzenden Korbstuhl zurück und suchte in der Jackentasche nach seinen Zigarillos. Kein Wort des Vorwurfs an Robert. Der hatte das Gefühl, jetzt für eine Weile genug gesagt zu haben und schaute über die Reling des Oberdecks hinüber auf die Mangrovensümpfe von Angola und die giftiggrüne Dschungelwand, die sich dahinter erhob. Hans starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen auf die Asche des Zigarillos.
„Die haben einen Informanten in Berlin und zwar, wie Sie ganz richtig vermuten, höchstwahrscheinlich im Haushalt von den Stauchs. Deshalb wussten sie auch alles über Sie, oder sagen wir mal, so gut wie alles. So jemanden in Berlin zu finden, ist keine große Sache. Da gibt es noch genug kleine Spione und Kollaborateure aus dem Krieg, die auch in Friedenszeiten ein Auskommen haben müssen. Auf jeden Fall muss August auf dem schnellsten Weg gewarnt werden. Ich werde ihm morgen von Luanda aus telegrafieren. Das Diamantgeschäft ist immer auch ein schmutziges Geschäft. Vom kleinsten Digger bis hinauf zu den millionenschweren Minenbesitzern, den Regierungen und dem ganzen Gesocks von Parasiten und Mitläufern, die vor keiner Intrige zurückschrecken, um sich an diesem Reichtum mit möglichst wenig Einsatz und Risiko zu mästen.”
Hans stand auf und Robert fürchtete schon, er würde ihn ohne ein weiteres Wort hier sitzen und weiter in Ungewissheit schmoren lassen.
„Wo wollen Sie hin? War das alles? Soll ich jetzt im nächsten Hafen verschwinden und mein Glück als Digger
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