Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
für die feinere Kleidung auf. Es mangelte an nichts. Neben den gesuchten Tropenanzügen hingen Dinner Jacketts, Bratenröcke, ein paar Fräcke und weite, leichte Staubmäntel, im Automobil aber auch zu Pferde zu tragen. Hosenträger mit vergoldeten Schnallen, Krokodilledergürtel mit passenden Schuhen, wegen der Durchgängigkeit der Lederstruktu r aus ein und demselben Reptil gefertigt! Panamahüte aus Ecuador, Plastrons und Krawatten aus England, Borsalinos aus Italien und Zylinder aus Berlin. Die Krönung der feinen Lebensart jedoch war ein türkischer Hausmantel aus dunkelroter Seide mit Samtrevers, komplett mit passendem Fez und Seidenpyjama im Paisleymuster. Dieses Ensemble war auf einer Kleiderpuppe ohne Kopf drapiert, wobei der Fez geschickt den guillotinierten Hals kaschierte. Der Ladenbesitzer, ein klappriger Portugiese mit hepatitisgelber Haut, der keinen Tropfen Flüssigkeit mehr in seinem Körper zu haben schien, hörte sich die Kundenwünsche aufmerksam mit leicht zur Seite geneigtem Köpfchen an.
Er versetzte die paar englischen Brocken, die er beherrschte, so sehr mit den Nuschellauten seiner Muttersprache, dass Robert und Hans schon nach den ersten Worten den Versuch aufgaben, ihn zu verstehen und ihm folgsam mit unterdrücktem Grinsen weiter in die Eingeweide des Ladens folgten. Der Portugiese vermaß Robert mit einem abgewetzten Maßband, das er, wie andere Leute die Brille, nur nachts im Bett ablegte. Er zischelte anerkennende Bemerkungen über die perfekte Figur und griff mit dürrer aber unfehlbarer Hand in die dicht bepackten, nach keinem ersichtlichen System sortierten Kleiderstangen. Das Ergebnis war beeindruckend.
Der halbblinde Spiegel präsentierte einen neuen Robert. Die geheimnisvolle Wirkung neuer Kleider auf Körper und Seele ließ ihn aufrechter stehen, seine Schultern gerader und das Kinn höher halten. Die weiße Farbe des Anzugs ließ sein Gesicht noch braungebrannter, seine Augen noch blauer und die sonnengebleichten Haare noch heller aussehen. Die ungefütterte Leinenhose fiel lässig von seinen Hüften und umspülte angenehm kühl seine Beine. Die Jacke legte sich leicht um seine Schultern und brachte das imposante Dreieck seines Rückens geschickt zur Geltung. Die Kleider aus Berlin lagen neben ihm auf dem Boden, wie die alte Haut einer Riesenschlange aus dem Urwald nebenan. Robert verließ den Laden mit einer komplett neuen Tropengarderobe. Er behielt einen der Anzüge sofort an, und in seiner Kabine auf der „Kamerun” betrachtete er sich noch einmal lange im Spiegel. Nein, er war jetzt kein Berliner Stubenhocker mehr. Er war es innerlich nie gewesen, jetzt sah man es ihm auch äußerlich an. Er legte sich unter dem Deckenventilator auf das Bett. Mit weit geöffneten Augen schaute er in die rotierenden Flügel. Zum ersten Mal kam die Erinnerung an Jayata nicht in schmerzhaften Zerrbildern, sondern in sinnlichen Schüben. Er schloss die Augen und die Erinnerung an die Vergangenheit glitt ganz sacht über in einen Zukunftstraum. Er wehrte sich nicht.
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Sobald sie die Mangrovenküste hinter sich gelassen hatten und die große Wüstenküste erreichten, legte sich fast jede Nacht undurchdringlicher Nebel wie feuchte Watte über den kleinen Steamer. Der Kapitän hielt das Schiff in respektvollem Abstand zur Küste. An diesem Ort der Welt auf Grund zu laufen bedeutete auch 1926 noch ziemlich sicher den Tod. An manchen Tagen hob sich der Nebel überhaupt nicht. Aber wenn die Sicht schließlich doch frei wurde, erstreckte sich neben der unruhigen See nichts als Sand. Sand in allen Schattierungen von braun über ockergelb bis karmesinrot unter einem kobaltblauen Himmel. An der südwestafrikanischen Küste ist die Farbe Grün so gut wie unbekannt. In endlos flachen Stränden, weit geschwungenen Tälern und steil aufsteigenden Wanderdünen von der Höhe eines europäischen Mittelgebirges zieht sich die älteste Wüste der Welt über 1.300 Kilometer am atlantischen Ozean entlang. Licht und Schatten in den Sandgebirgen waren mit abstrakter Schärfe und in tiefstem Kontrast voneinander getrennt. Sie formten mit dem wechselnden Stand der Sonne immer neue Scherenschnitte. Zusammen mit den fließenden Mustern, die der Wind in den Sand kämmte, erinnerte die Namibwüste Robert an ein gi gantisches modernes Bühnenbild.
Die geschwungenen, von der weißen Gischt der ausrollenden Atlantikbrecher umleckten Strände, waren über viele Kilometer hinweg mit einem vibrierenden,
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