Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
eine seiner kurzen, türkischen Zigaretten an und starrte angestrengt hinunter auf Pall Mall. „Jeder weiß, dass die Diamanten in Niersteiners Sperrgebiet in Südwest nur angeschwemmt sind. Das Vorkommen ist keine Hauptlagerstätte. Irgendwann im Laufe der Erdgeschichte sind sie durch urzeitliche Flüsse aus dem Hinterland angeschwemmt worden. Die Hauptlagerstätte ist bis heute nicht entdeckt, sie kann sehr weit im Inland sein, an einem Ort, über den Niersteiner noch nicht verfügen kann und hoffentlich auch nie verfügen wird. Wenn uns der junge Deutsche die Proben der Begleitmineralien, die ja zusammen mit den Diamanten angeschwemmt wurden, zukommen lässt, kann ich in meinem Labor einen geologischen Fingerabdruck der Hauptlagerstätte erarbeiten. Kombiniert mit dem Wissen über erdgeschichtliche Zusammenhänge auf dem afrikanischen Kontinent könnte meine Analyse uns die Hauptlagerstätte in Rekordzeit finden lassen. Die Claims werden gesteckt, DePass sichert sich alle Rechte, ein neues Sperrgebiet wird eingerichtet und das Ruder ist herumgerissen.” Sumptons kleine dunkle Augen glänzten wie Jetknöpfe, als er sich den anderen zuwandte. „Aber das Beste ist, dass wir die Ersten sein werden, die in den Besitz dieser Information kommen. Ich persönlich werde die Expedition leiten. An dem Tag, an dem ihr mein verschlüsseltes Telegramm mit der Erfolgsmeldung bekommt, kauft ihr jede verdammte Aktie von DePass, die an der Börse zu haben ist. Danach mischen wir selbst mit und zwar gewaltig.”
Was er nicht laut sagte, war, dass so ein spektakuläres wissenschaftliches Vorgehen bei der Prospektion in jedem Fall den Ritterschlag für einen verdienstvollen, durch und durch britischen Untertan seiner Majestät mit sich bringen müsste. Ja, das Ruder wäre herumgerissen, sein Vermögen wäre nicht nur gerettet, sondern um ein Erkleckliches vermehrt, und eines nicht allzu fernen Tages würde er als Sir Roderick Sumpton den Buckingham Palast verlassen.
„Ich muss schon sagen, Sumpton, dein Plan ist genauso genial wie hinterhältig. Du solltest in die Politik gehen. Aber was machen wir mit dieser tragischen Figur, mit diesem von Wolf? Das ist einer von der deutschen Idealistensorte. Die waren schon immer verdammt gefährlich. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass er den Mund halten wird, eine satte Belohnung oder einen guten Posten bei DePass annehmen und dann für alle Zeiten Ruhe geben wird. Er ist nicht dumm und wird das Komplott spätestens dann durchschauen, wenn er erfährt, dass du eine Expedition für DePass irgendwo in Afrika leitest.” Sir Charles schob bedrückt einen Rest Rührei samt einem halben Räucherhering auf seinem Teller hin und her.
„Charles hat recht, Rod. Der Deutsche wird niemals auf unsere Seite wechseln, wenn er herausfindet, vor welchen Karren du ihn wirklich gespannt hast. Der ist imstande und hetzt uns die gesamte Fleet Street auf den Hals, auch wenn er sich selbst dabei für alle Zeiten diskreditiert. Er wird den Coup hochgehen lassen, sich anschließend als tragischer Held in eine Dachkammer nach Berlin zurückziehen und in den großen Chor der deutschen Hungerleider einstimmen, die behaupten, dass Geld nicht glücklich macht.” Der Mijnheer warf mit einer angeekelten Bewegung die Serviette auf den Tisch. Idealisten waren ihm zuwider.
Sumpton lächelte dünn: „Wir werden in dieser Angelegenheit nichts dem Zufall überlassen. Afrika ist groß und immer noch ausreichend gefährlich. Man hat da wirklich eine große Auswahl, was ihm alles zustoßen könnte. Er wäre nicht der Erste und sicher nicht der Letzte. Kein Mensch wird nach so einem kleinen Niemand suchen, er ist ja schließlich nicht Dr. Livingstone.”
Die unkomfortable Stimmung löste sich im erleichterten Gewieher der drei Gentlemen auf. Man verließ den Frühstückstisch, plumpste in tiefe Sessel, ließ die erste Portweinflasche kommen und widmete sich jetzt den letzten Gerüchten von der Börse und dem neuesten Klatsch aus der Gesellschaft. Ein Lebenselixier, das mit vorrückendem Alter immer wichtiger wurde. Konnte man schon selbst aus verschiedenen Gründen keine Amouren und Affären mehr pflegen, so war es umso wichtiger, sich im vorzugsweise tragischen Schicksal anderer zu suhlen und sich dem ehrlichsten aller Gefühle hinzugeben, der Schadenfreude.
„Rod, dein Kontakt in Berlin, der bei Stauch als Hausdiener arbeitet, was genau hat er dir über diese Liebschaft mit der Humphreys Tochter erzählt? Ehm …
Weitere Kostenlose Bücher