Dunkle Diamanten (Shades of Brilliance) (German Edition)
immer gewusst, dass dieses neue Leben gefährlich war, hatte die Gefahr herbeigewünscht und mit ihr kokettiert. Ein Messer in der Kehle, eine Kugel in der Brust, ein ganz ordinärer Raubüberfall waren in seinen romantischen Phantasien aber nicht vorgekommen. Der Gedanke an die jetzt sehr reale Möglichkeit, aus nackter Habgier ermordet zu werden, erschreckte und verwirrte ihn. Ob die anderen diese Angst auch fühlten? Oder waren sie nach so langer Zeit in diesem Geschäft schon so abgebrüht, dass der Gedanke sie nicht mehr berührte? War es in ihren Kreisen ein Tabu, über diese Möglichkeit zu sprechen? Vielleicht, weil man nicht als Feigling dastehen wollte, oder vielleicht auch, weil das Reden darüber die Gefahr nicht verringerte, die Angst aber sehr wohl schürte. Er starrte auf die kalt glitzernden Steine. Als er den Blick wieder hob, sah er direkt in Hans’ nachdenkliche Augen. Merensky nickte, als hätte er seine Gedanken erraten. Er griff in seine Jackentasche und schob einen geladenen Revolver über den Tisch.
„Da, Robert, den hätte ich beinahe vergessen. Trage ihn immer bei dir und benutze ihn auch, wenn du musst. Ob Mensch oder Tier, bei Gefahr spielt das hier draußen keine Rolle. Übertriebene Humanität kannst du hier sehr schnell mit deinem Leben bezahlen.” Der Cognac hatte jetzt einen seifigen Geschmack.
*****
Der Nebel war durch die Ritzen des Schuppens gekrochen und lag in der Dunkelheit klamm und kalt auf seinem Körper. Er wachte auf und suchte nach der Rosshaardecke, die ihm im Schlaf aus dem schmalen Feldbett auf den Boden gerutscht war. Er hatte unruhig geschlafen. Anstatt glücklich, mit einer guten Dosis französischem Cognac im Blut, dem ersten richtigen Arbeitstag in der Wüste entgegenzuschlafen, hatten ihn wirre Träume vom Krieg, von Diamanten, Buschmännern und Jayata gequält. Er streckte sich lang aus, starrte in die Dunkelheit über ihm und versuchte, seinen verkrampften Körper zu entspannen. Es waren nur Träume. Zu viele Eindrücke vom Abend zuvor, die noch keinen geordneten Platz in einer Schublade seines Bewusstseins gefunden hatten. Das würde sich geben. Er würde sich daran gewöhnen, genauso wie Ernst und Hans. Es war nur eine Frage der Zeit. Er lauschte auf die Geräusche der Nacht. Das Nagen kleiner Tiere im Gebälk, ihr Huschen und Trippeln auf und unter dem roh gezimmerten Fußboden. Das Flattern der Fledermäuse in den Dachsparren. Das klagende Geheul der Hyänen, weit entfernt irgendwo in den Dünen, das Scharren eines Wüstenfuchses an der Schuppenwand. Seine erste Nacht in der Wüste hatte er sich anders vorgestellt. Unter einem endlosen, prächtigen Sternenhimmel, in klarer Luft und weichem Sand, neben der warm glimmenden Asche eines Lagerfeuers. Stattdessen lag er in einem verriegelten, feuchten, stockdunklen Schuppen, der nach Zigarrenrauch und Cognac stank. Er grinste in die Dunkelheit. Es würde sicher auch Nächte ohne Nebel unter einem sternklaren Himmel geben. Vielleicht war schon die morgige Nacht eine davon. Das erschien ihm im Augenblick viel verlockender als ein dicker Diamantenfund. Je weiter sie in die Wüste eindrangen, desto geringer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie von finsteren Elementen beobachtet wurden, außerdem hatte er ja jetzt einen Revolver. Sollten sie nur kommen, wer immer sie waren. Bei diesem Gedanken schloss er die Augen und schlief tief und traumlos bis zum Morgengrauen.
Als sie im fahlen Morgenlicht vor die Tür traten, brannten schon die Feuer der Buschmänner in einiger Entfernung. Der Spähtrupp, den Ernst ausgeschickt hatte, war zurückgekommen und hatte in weitem Umkreis kein anderes Camp gefunden. Sie tranken heißen, bitteren Kaffee und aßen Schiffszwieback, der bei jedem Biss en krachte und knirschte wie ein Gesteinsagglomerat unter einem Bergmannspickel. Während die Buschmänner das Werkzeug und den Proviant verluden, studierten sie noch einmal Reunings geologische Karte. Er bestand darauf, dass sie heute noch einmal im alten Gordon-Chaplan Claim suchen sollten. Den Inhalt des Tabaksbeutels hatte er dort gefunden, dicht gedrängt auf relativ kleinem Raum, fast wie in einem Nest. Das mussten sie gründlich untersuchen. Dabei konnte Robert auch gleich lernen, wie man richtig mit dem Werkzeug umging, damit er möglichst schnell voll einsatzfähig war.
Die Buschmänner hingen bereits in Trauben auf den Dächern, Trittbrettern und Stoßstangen der Lastwagen, so dass sie alle drei Mühe hatten, sich
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