Dunkle Ernte
Dschungelrollfelder, die nicht viel mehr waren als eine längliche Lichtung. Diese Rollbahn hatte ihn eine hübsche Stange Geld gekostet, aber die Investition lohnte sich, denn sie ermöglichte es ihm, sein Vermögen zu sichern, das die Summe der Kosten um ein Vielfaches überstieg. Mit einem heftigen Ruck setzten die Räder auf, die Maschine bremste ab, und der Pilot ließ sie auf eine Gruppe Milizionäre und einen Armeejeep zurollen, ehe er sie endgültig zum Stillstand brachte.
Clement stieß geräuschvoll Luft aus. Wenn Gott gewollt hätte, dass ich fliege, hätte er mir Flügel gegeben, hatte seine Mutter immer gesagt. Stattdessen hatte er ihr einen Sohn mit einer außergewöhnlich hohen Schmerzgrenze geschenkt, der groß und stark war und mit den bloßen Händen einer Gazelle das Genick brechen konnte. Gott hatte gewollt, dass er ein Krieger, ein Anführer wurde. Es war Clements Bestimmung, festen Boden unter den Füßen zu spüren. Anderen ausgeliefert zu sein war ihm ein Gräuel, auch wenn es nur für die Dauer eines kurzen Fluges war und der Pilot sein Handwerk verstand. Eines Tages würde er sich die Zeit nehmen, selbst fliegen zu lernen.
»Willkommen, mein General«, begrüßte ihn Uko Nbochigando, sein Stellvertreter, im örtlichen Bantu-Dialekt, ihrer gemeinsamen Muttersprache, als er aus dem Flugzeug stieg. In der Gegend gab es ebenso viele Sprachen und Dialekte wie Dörfer und Traditionen.
»Ich hoffe, Sie hatten einen guten Flug«, fuhr Uko mit breitem Lächeln fort und nahm seine Fliegersonnenbrille ab. Die tiefe Narbe über seinem linken Auge zog die Haut nach unten und verlieh seinem Gesicht einen dauerhaft spöttischen Ausdruck.
Statt zu antworten, brummte Clement nur. Die Luft war feucht und schwer, und schon spürte er, wie sein Armeehemd am Rücken klebte. »Gehen wir. Ich halte mich nicht gern unter freiem Himmel auf«, sagte er und kletterte auf die Rückbank des Jeeps.
Uko nickte und bedeutete dem Mann am Steuer loszufahren. Er kannte Clement gut genug, um zu wissen, dass es am Fliegen lag, wenn er schlechte Laune hatte.
Der Jeep steuerte über eine provisorische Straße auf das Militärcamp zu, das sie auf dem Gelände einer alten Kolonialvilla eingerichtet hatten. Sie hatte einst einem belgischen Gummibaron gehört und lag rund eine Fahrstunde von der Rollbahn entfernt, je nach Regen und Anzahl der Löcher in der unbefestigten Piste. Die belgischen Kolonialherren waren die Ersten gewesen, die die Schätze der Region ausgebeutet hatten, aber mit Sicherheit nicht die Letzten …
Das Haus des Gummibarons war im Ost-Kongo von Anfang an dem Untergang geweiht gewesen. Kaum war es fertiggestellt, begann, durch Hitze und Feuchtigkeit bedingt, die Farbe von den Wänden zu blättern, und die eleganten Stuck-und Gipsverzierungen hatten feinste Risse gebildet. Clement konnte nicht umhin, den Elan der Menschen zu bewundern, die dieser feindseligen Umwelt um jeden Preis ihren Willen aufzwingen wollten, die den Dschungel zu bändigen versuchten, indem sie Lianen und Kletterpflanzen beschnitten und tonnenweise Baumaterial über den Fluss transportierten.
Die Villa war in einem erbarmungswürdigen Zustand, dennoch ließ sie den Glanz vergangener Kolonialzeiten erahnen. Die weiße Veranda mit ihren stattlichen Pfeilern war noch intakt, während der Tennisplatz unter Moos und Baumwurzeln, die sich durch den Asphalt gebohrt hatten, kaum noch zu erkennen war. Im ehemaligen Ballsaal stand ein Flügel mit verrosteten oder gerissenen Saiten und verzogenen Hämmern, der nur noch ein kläglich misstönendes Klirren von sich gab.
Clement warf einen Blick in den Hof und betrachtete kurz die Kinder, die auf Munitionskisten in Gruppen zusammensaßen und rauchten, ihr Blick leer wie die Hülsen abgefeuerter Patronen, abgestumpft von der Arbeit, die er sie tun ließ, dem routinemäßigen Töten. Sie nahmen ihn kaum wahr, so beschäftigt waren sie mit dem Buschfleisch, das sie über kleinen Feuern brieten. Salutiert wurde in dieser Armee nicht. Es gab gerade so viel Ordnung, dass sie ihre Befehle befolgten, so viel Essen, dass sie nicht stahlen, und so viel Jungle-Brew-Bier, dass ihre Gefühle abstumpften. Die meisten kamen gar nicht auf den Gedanken, seine Befehle infrage zu stellen. Kaum zehn bis zwölf Jahre alt, mordeten sie schon, seit sie denken konnten.
»Ich will einen vollständigen Bericht über den Betrieb in der Mine im vergangenen Monat. Hat es Verluste gegeben? Oder Probleme zwischen den Männern?
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