Dunkle Ernte
Außerdem will ich die Erzraffinerie besichtigen. Angeblich hat es letzte Woche dort gebrannt.« Clement zog ein Taschentuch aus der Hose und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er atmete tief durch und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Aber vorher werde ich meine übliche Erfrischung nehmen. Sie haben diesmal hoffentlich eine gute Wahl getroffen? Die letzte Dschungelkatze hat gebissen wie eine Python.«
»Ja, Sir«, beeilte sich Uko zu versichern, »ich denke, Sie werden zufrieden sein. Wir haben sie aus einem Dorf im Norden geholt. Die Menschen dort sind für ihre besondere Schönheit bekannt. Am Anfang war sie ziemlich wild, aber dann haben wir ihr Opium in den Tee gemischt, und jetzt ist sie wunderbar gefügig.«
Clement nickte und stieg die geschwungene Marmortreppe zu den Räumen hoch, in denen er Quartier bezogen hatte. Wenn er in den Dschungel zurückkam, pflegte er immer ein besonderes Ritual. Es war schließlich Kriegsgebiet, und wie alle afrikanischen Generäle neigte er zum Aberglauben. Rituale mussten eingehalten werden, sonst drohte Unbill.
Er stieß gegen die große zweiflüglige Tür und betrat das Schlafzimmer. Nahe dem mit Schlagläden abgedunkelten Fenster kauerte in einer Ecke eine dunkle Gestalt in einem roten Sarong. Ein junges Mädchen, ein Kind, kaum älter als dreizehn, die Augen vor Angst geweitet.
Nach der Hitze des Dschungels war es kühl hier im Raum, kühl wie in einem Grab. Im Dämmerlicht sah er die Tränen auf ihren Wangen. Sie schluchzte leise, verstummte aber sofort, als sie ihn entdeckte. Langsam und bedächtig löste er seinen Gürtel und wickelte sich den langen Lederriemen um die rechte Hand, sodass die Schnalle nach außen zeigte.
»Du sollst ein zähes kleines Ding sein. Weißt du, was man mit Fleisch macht, wenn es zäh ist?«
Er stand jetzt über ihr. Sein Körpergeruch war penetrant. Das Mädchen schüttelte heftig den Kopf.
»Man klopft es, bis es zart ist. Wirst du zäh sein?«
Wieder schüttelte sie den Kopf, diesmal noch heftiger.
»Braves Mädchen«, erwiderte Clement, ehe er die Hand hob und ihr so hart mit der Faust ins Gesicht schlug, dass einer ihrer Zähne quer durch den Raum flog.
27
King’s College, Cambridge
Jack öffnete vorsichtig die Tür zu seinem Zimmer. Vielleicht lauerte ihm schon jemand auf. Aber da war niemand. Der Raum sah genauso aus wie vor drei Wochen, als er zuletzt hier gewesen war, so wie eine chaotische Studentenbude eben aussah. Überall auf dem Boden und auf dem Schreibtisch stapelten sich Bücher, die meisten davon aus der Bibliothek, die Leihfrist längst abgelaufen. Dazwischen ein Kaffeebecher voller grünem Schimmel, in dem man das Penicillin hätte neu entdecken können, und in einer Ecke ein überquellender Wäschekorb. Jack ging ins Badezimmer und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, dann packte er die Kameras aus, die man ihm beim MI 6 gegeben hatte. Sie waren nur wenige Zentimeter groß. Er verteilte sie so, wie man ihm gesagt hatte – möglichst hoch und möglichst nah an den Ecken. Dann sah er auf die Uhr. Wie lange würde er warten müssen?
Es klopfte an der Tür. Er atmete tief durch. Ging es schon los? Er öffnete.
»Hi, Jack, alles klar?« Es war der MI 6-Officer, der mit im Zug gesessen hatte. Er sah sich mit fachmännischem Blick im Raum um. »Die Kameras sind okay. Sie übertragen direkt in das Zimmer auf dem Flur gegenüber. Jetzt können wir nur noch abwarten.«
Jack fragte sich, was sein Nachbar, der für seine dauerhaft schlechte Laune berühmte Dr. Hargreaves, emeritierter Professor für Neuere Geschichte, dazu gesagt hatte, dass sein Zimmer zweckentfremdet wurde. Wahrscheinlich gar nichts. Vermutlich hatte er höchstpersönlich die Hälfte aller aktuellen hochrangigen MI 6-Mitarbeiter ausgesucht.
»Ach, das hätte ich fast vergessen«, sagte der Offizier und reichte Jack eine braune Papiertüte. »Was zu essen«, fügte er auf dessen irritierte Reaktion hin an. »Versuchen Sie etwas zu essen, es ist nicht abzusehen, wie lange das Ganze dauern wird. Suchen Sie sich irgendeine Beschäftigung, was immer Sie wollen, nur verlassen Sie das Zimmer nicht.«
Jack nickte und stellte die Tüte auf seinen Schreibtisch. Am liebsten hätte er Amanda angerufen, um ihr alles zu erzählen, doch Sir Clive hatte es ihm ausdrücklich verboten. »Sie dürfen mit niemandem in Kontakt treten. Gehen Sie nicht ans Telefon, schreiben Sie keine E-Mails. Wenn jemand bei Ihnen klopft, sehen Sie zu, dass Sie ihn
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