Dunkle Ernte
Messer hatte er immer gehasst, doch Explosionen waren seine Welt gewesen. Ich kann genauso gut mit einem ordentlichen Rumms abtreten , dachte er und zog den Stift.
Nbotou eilte durch den Tunnel, und durch die Detonationen oberhalb rieselte beständig Erde auf seinen Nacken herab. Der Gang, den Arbeiter aus den Coltan-Minen gegraben hatten, war eng, aber sorgfältig abgestützt. Er war über anderthalb Kilometer lang und führte zu einer Lichtung mit vier großen Containern, wie sie auf Frachtschiffen verwendet wurden. Nbotou hatte sie aus Kinshasa einfliegen und von einem Helikopter an Ort und Stelle absetzen lassen. Sie enthielten seine Coltan-Reserven und waren von Tarnnetzen überzogen, die inzwischen vollständig zugewuchert und auf Satellitenbildern aus der Luft nicht zu erkennen waren.
Die Zünder waren am Ende des Tunnels angebracht. Clement eilte im Laufschritt dahin, um die Sprengung möglichst bald auszulösen und das Haus mitsamt allen, die sich darin befanden, dem Erdboden gleichzumachen.
Ed hustete, und das Innere seiner Gasmaske beschlug, doch er konnte sie auf keinen Fall absetzen. Sie hatten für jeden Raum zwei Kanister Nervengas dabeigehabt und die Maschinenpistolen, um alles niederzumähen, was zu fliehen versuchte. Die Luft im Haus war von dem Gift erfüllt, blassgrüner Nebel schwebte über den Leichen, die überall verstreut lagen, an den Fenstern, an den Türen. Das Nervengift wirkte binnen Sekunden, indem es das Atemsystem lahmlegte. Es war, als fiele einem ein Klavier auf die Brust, die Lunge war mit einem Schlag zerfetzt und nutzlos.
»Da müssen wir verdammt viele anschauen, um den Anführer zu identifizieren«, sagte einer von Eds Männern und drehte eine Leiche mit dem Fuß um. »Und wir haben ganz schön viel aufzuräumen.«
»Darum brauchen wir uns nicht zu kümmern. Sobald wir die Leiche haben, funke ich das durch, und wir sind raus. Damit ist unser Job erledigt«, erwiderte Ed. Dann hörte er Denbighs Stimme im Ohr, der immer noch draußen im Baum saß.
»Ed, hier regt sich was, irgendwas ist da los.«
Ed rannte zu einem Fenster, konnte aber nicht über die Außenmauer sehen. Drei Stufen auf einmal nehmend, stürmte er die Treppe hoch in die erste Etage.
»Was ist es? Was können Sie sehen?«, fragte er und stieg über die Leichen, um in Nbotous Zimmer durch die Schlagläden zu spähen.
»Irgendwas bewegt sich im Dschungel«, sagte Denbigh. »Ich denke, die gehen in Stellung. Es sind die Milizionäre, die geflohen sind. Irgendjemand organisiert sie.«
»Scheiße«, fluchte Ed, die Augen auf den Dschungelrand gerichtet. »Verdammte Scheiße. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder wir bleiben und kämpfen, oder wir teilen uns auf und versuchen unser Glück im Dschungel. Da unsere Munition begrenzt ist, sehe ich keine Alternative zum Dschungel.«
»Was ist mit Nbotou? Wir wissen nicht, ob wir ihn haben«, gab einer der Männer zu bedenken.
»Ich pfeif auf Nbotou. Er ist entweder tot oder geflohen. Wir können jedenfalls nichts mehr tun. Wie sieht’s draußen aus, Denbigh?«
»Truppen in Stellung außerhalb der Campmauer. Ich kann Ihnen die genauen Positionen durchgeben, aber es ist schon fast Tag. Die werden Sie sehen, sobald Sie über die Mauer klettern oder durch das Tor kommen. Es wäre keine schlechte Option, bis zur Dämmerung durchzuhalten. Over .«
Ed schüttelte den Kopf. »Keine Chance, unsere Munition ist fast alle. Jetzt oder nie.«
Denbigh sah auf die Wärmebildkamera. »Okay. Gehen Sie zur hinteren Seite der Mauer. Dort ist die Feindkonzentration am geringsten. Ich werde auf der Vorderseite für Ablenkung sorgen, ein paar Granaten …«
Er beendete seinen Satz nicht. Mit einem gewaltigen Donnern flogen die Wände des Hauses nach außen weg, Trümmer wurden in dichten Staubwolken hoch in die Luft geschleudert und schnellten quer durch die Bäume im Hof. Holz barst, dann brach das Dach in sich zusammen. Binnen Sekunden lag die ganze koloniale Grandeur in Schutt und Asche.
»Hört ihr mich? Team eins? Irgendjemand? Bitte kommen!«, drängte Denbigh.
Keine Antwort.
»Team eins, bitte kommen?«
Er versuchte es bei Gavin. »Team zwei?«
Nichts.
Der Staub begann sich gerade zu legen, als etwas an ihm vorbeizischte. Ein Stein. Dann noch einer. Er sah nach unten. Vier Kindersoldaten standen am Fuß des Baums und grinsten zu ihm hoch, als hätten sie eine Katze entdeckt, die sie herunterholen wollten. Ihre Waffen hatten sie abgelegt, um die Steine zu werfen.
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