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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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unvollständige – Leichnam von Karen Curtis entdeckt worden war, und für die Presse war die Story natürlich ein gefundenes Fressen. Der neue Ripper hatte zum vierten Mal zugeschlagen, er hatte es geschafft, einen Doppelmord zu verüben, und das Land erging sich in schadenfroher Empörung.
    Noch immer hieß es er .
    Bisher hatte man der Öffentlichkeit gegenüber nichts von der mutmaßlichen Vergewaltigung in einem Park in Cardiff verlauten lassen, die möglicherweise der Katalysator für das Ganze gewesen sein könnte. Das Foto und die Personenbeschreibung der Llewellyn-Schwestern waren an sämtliche Polizeidienststellen des Landes weitergeleitet worden, und Victoria war bis auf Weiteres die meistgesuchte Person Großbritanniens. Wir hatten nur verschwiegen, wieso.
    Ebenso hatten wir die Info zurückgehalten, dass Karen Curtis’ Kopf noch immer verschwunden war, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis das herauskommen würde. Alle Kollegen in London waren gewarnt worden, dass ein abgetrennter menschlicher Kopf jederzeit irgendwo auftauchen konnte, höchstwahrscheinlich an einem Ort mit viktorianischem Bezug. Das war eine Information von der Sorte, die ziemlich schnell nach außen dringt.
    Um sechs war die Tagschicht zu Ende, und die Leute verließen nach und nach das Revier. Bald waren nur noch Mizon, Stenning und ich im Einsatzraum. Anderson kam um halb sieben zurück, gerade als wir es aufgeben wollten, auf ihn und Tulloch zu warten.
    »Wie ist es gelaufen, Sarge?«, wollte Stenning wissen.
    »Ein Blutbad«, knurrte Anderson. »Sind die andern schon alle weg?«
    »Brauchen Sie noch irgendwas, Sarge?«, erkundigte sich Mizon. »Oder hauen wir ab?«
    »Der Boss hat uns alle zum Abendessen eingeladen.« Anderson sah aus, als fühle er sich unbehaglich. »Nur wenn ihr Zeit habt, sagt sie, nichts Offizielles.«
    Stenning und ich sahen uns mit hochgezogenen Brauen an. »Abendessen?«, fragte Stenning. »Sie meinen, bei ihr zu Hause?«
    Anderson zuckte die Schultern. »Muss wohl am Geschlechterunterschied liegen. Wenn der DI ’n Kerl ist, geht er mit einem in den Pub und schmeißt ’ne Runde. ’ne Frau lädt einen zum Essen ein.«
    »Sollen wir Blumen mitbringen?«, wollte Stenning wissen.
    Dana Tulloch wohnte in einem Reihenhaus von eher bescheidener Größe in Clapham, doch als sie uns die Tür öffnete, war das Innere des Hauses alles andere als bescheiden. Die Wände waren in einem sanften, rauchigen Cremeton gestrichen, und die Dielen waren aus Nussbaumholz. Die Bilder an den Wänden waren Drucke aus limitierten Auflagen, und eines oder zwei sahen aus wie Originale.
    In ihrem Wohnzimmer standen drei blassgrüne Sofas, und ein großer, quadratischer Teppich mit grünen, rostroten und weißgrauen Karos lag auf dem Boden. Ein richtiges Feuer brannte im Kamin. Als Dana uns unsere Mäntel abnahm, konnten wir jemanden in der Küche rumoren hören, und mein Herz legte einen Schlag zu. Ein paar Sekunden später wurde ich enttäuscht. Man kann wohl mit einiger Sicherheit sagen, dass es Anderson und Stenning wahrscheinlich nicht so ging.
    Die blonde Frau, die uns anlächelte, war hochgewachsen und athletisch; ihr Gesicht war ein vollendetes Oval, mit klarer Kinnlinie und braunen Welpenaugen. Sie war älter als Dana, vielleicht so um die vierzig, doch man brauchte sie nur anzuschauen, um zu wissen, dass sie mit fünfzig wahrscheinlich immer noch mehr oder weniger genauso aussehen würde.
    »Ich bin Helen«, sagte sie. »Danas Lebensgefährtin.«
    Danas Lebensgefährtin? Auf welcher Leitung hatte ich denn die ganze Zeit gestanden?
    Wir saßen zu sechst um den Tisch in Danas Esszimmer, und ich war plötzlich schüchtern wie ein Kind. Ich saß neben Helen, die, wie sich herausstellte, Detective Chief Inspector Helen Rowley von der Tayside-Polizei in Schottland war. Zum Glück zeigte sich keiner der anderen wortkarg, und anscheinend fiel niemandem auf, dass ich nicht viel sagte. Als alle Teller außer Danas fast leer waren, stellte Helen ihr Glas ein klein wenig fester hin als nötig. Alle sahen zu ihr hinüber.
    »Okay«, sagte sie. »Wollen wir zur Sache kommen?«
    Tulloch seufzte und zuckte die Achseln.
    Helens Lächeln blieb unverändert. »Oder sind wir bloß hier, um nett zu plaudern?«
    »Da hätte ich nichts dagegen«, antwortete Tulloch.
    Helen lachte kurz auf. »Na ja, also, nichts für ungut, Leute, aber ich bin nicht von Dundee hier runtergeflogen, nur um das neue Team meiner Freundin kennenzulernen.« Sie

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