Dunkle Gebete
Parkplatz fuhr.
Er warf mir einen raschen Blick zu. »Ich habe eindeutige Anweisungen, nicht mit Ihnen über den Fall zu sprechen«, verkündete er. » DI Joesbury hat mich nachdrücklich daran erinnert, dass Sie eine Zeugin sind, keine Ermittlerin.«
Das war an sich logisch, und es gab keinen Grund, sauer zu sein. Außer dass ich DI Joesbury wirklich nicht leiden konnte.
»Dann ist der also immer noch dabei?«, fragte ich und überlegte, ob das eigentliche Problem darin bestanden hatte, dass DI Joesbury mich anscheinend nicht hatte leiden können.
Stenning musste irgendetwas in meinem Tonfall aufgefallen sein. Ich sah, wie er in sich hineinlächelte. »Erinnern Sie sich noch an diesen Drogenring, den wir vor ein paar Wochen hochgenommen haben?«
Ich erinnerte mich. Heroin im Wert von sechzehn Millionen Pfund war aus dem Verkehr gezogen und fast ein Dutzend Leute verhaftet und angeklagt worden. Drei davon waren große Nummern.
»Er war da sechs Monate lang ganz tief mit drin. Hat davor fast ein Jahr nur damit verbracht, in die Organisation reinzukommen. Wär bei den Festnahmen fast draufgegangen.«
Na, dem Himmel sei Dank, dass uns dieser Verlust erspart geblieben ist, dachte ich. »Also, das Opfer. Wer war sie?«
Stenning lächelte immer noch. »Bilden Sie einen Satz aus folgenden Wörtern. Versiegelt. Lippen. Meine. Sind.«
»Lassen Sie’s mich nicht aus der Zeitung erfahren«, bat ich.
»Meine Anweisungen lauten, Sie im Revier abzusetzen und dann zu der Wohnsiedlung zurückzufahren«, sagte er. »Wir müssen an jeder Tür klingeln und schauen, ob jemand was gesehen oder gehört hat. Das wird Tage dauern.«
Stenning gab sich Mühe, gelangweilt auszusehen, doch es gelang ihm nicht richtig. Selbst in der Londoner Innenstadt bekommt man nicht jeden Tag Gelegenheit, bei einem Mordfall mitzuarbeiten.
»Haben sie sie schon obduziert?«, erkundigte ich mich, denn einen letzten Versuch war das Ganze wert.
Stenning konnte sein Grinsen an-und ausknipsen wie eine Stehlampe. »Sie geben nicht auf, wie?«
»In ein paar Stunden sind das sowieso alles öffentlich zugängliche Informationen.«
»Okay, okay. Sie haben sie gleich heute Morgen obduziert«, sagte er. »Der DI war dabei. Der vollständige Bericht dauert noch eine Weile, aber der Zeitpunkt des Todes passt zu allem, was Sie uns erzählt haben, und die Todesursache war massiver Blutverlust. Wir haben immer noch keine blasse Ahnung, wer sie ist. Niemand ist als vermisst gemeldet worden. Heute Abend zeigen sie ihr Bild in den Nachrichten, mal sehen, ob sich jemand meldet. Zufrieden?«
»Die zeigen ihr Foto landesweit im Fernsehen?«, fragte ich ungläubig und stellte mir eine entsetzte Familie vor, die ihre Mutter mit durchgeschnittener Kehle vor sich sah.
»Doch kein Foto, Sie Holzkopf, eine Zeichnung. In der Pathologie wird gerade daran gearbeitet«, erwiderte Stenning.
Er fuhr auf den Parkplatz des Reviers von Lewisham. »Sie hat Schmuck im Wert von Tausenden von Pfund getragen und hatte Bargeld in der Handtasche, um Raub ging’s also nicht. Laut dem DI kommt’s darauf an, wer sie war. Wenn wir das rausfinden und was sie in der Brendon-Siedlung zu suchen hatte, dann sollte auch klar werden, warum sie umgebracht worden ist. Anscheinend glauben alle, dass die ganze Geschichte ziemlich schnell erledigt sein wird. Ach ja, und irgendwas ist komisch an der Mordwaffe, aber Tulloch hat da nicht viel drüber gesagt.«
Der Raum, in dem Dana Tullochs Ermittlungsteam untergebracht war, war bereits gesteckt voll. Ich blieb in der Tür stehen und traute mich nicht recht einzutreten. Tulloch hatte eine Straßenkarte des Viertels auf eine weiße Leinwand am anderen Ende des Raumes projizieren lassen. Sie stand davor; ein Dutzend Leute scharte sich um sie. Manche saßen, andere lehnten an Schreibtischen. Dann bemerkte ich, dass jemand ganz hinten in der Gruppe sich nach mir umgedreht hatte. Sonnengebräunte Haut, türkisblaue Augen, eins davon blutunterlaufen. Und mein Tag war gegessen.
13
Ein paar Minuten später beendete Tulloch die Besprechung. Langsam verließen die Leute den Raum, einer oder zwei nickten mir zu. Gayle Mizon, die gerade in einen Apfel beißen wollte, hielt inne, um mich anzulächeln.
»Lacey, wie geht’s Ihnen?« Tulloch winkte mich herein, deutete auf einen Stuhl und setzte sich dann selbst. Sie sah müde aus. Unter ihren Augen waren Schatten, und ihr Make-up war mehr oder weniger verschwunden. Joesbury hockte sich besitzergreifend auf den
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