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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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mich festgehalten, hat gesagt, das wärn die größten Dinger, die er je gesehn hätt. Immer wieder hat er das gesagt, während sein Kumpel mich gebumst hat. War echt demütigend, verstehn Sie, was ich meine?«
    »Ich verstehe. Hast du ihnen gesagt, dass sie aufhören sollen?«
    Sie blickte auf ihre Hände hinunter.
    »Ich verstehe, dass du Angst hattest, Rona«, beteuerte ich. »Es tut mir leid, dass ich dich all das fragen muss. Ich weiß, wie schwer es sein muss, darauf zu antworten. Kannst du weitermachen?«
    Sie nickte. »Als der, der mich gevögelt hat, fertig war, ham sie die Plätze getauscht. Und dann das Gleiche noch mal.«
    »Wo war Miles, als das alles passiert ist?«
    »Hat in ’nem Sessel gesessen und zugeguckt.«
    »Haben sie dich gehen lassen, nachdem der Dritte dich vergewaltigt hat?«
    Sie sah mich an und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Die ham mich nich gehen lassen. Da sind noch zwei andere gekommen.«

10
    Der unterirdische Raum ist riesig und riecht nach Verfall, wie die Kathedrale einer Stadt, deren Bewohner schon lange tot sind. Der Tag draußen war strahlend hell, es war kurz vor Mittag. Hier unten verschlingt die Finsternis alles, und Zeit ist bedeutungslos geworden. Die schwarz gekleidete Gestalt bewegt sich langsam vorwärts, und das gewaltige Gewölbe verstärkt die Geräusche wie das Innere einer gigantischen Muschel. Das Echo eines jeden Schrittes scheint in die Ferne davonzutanzen, als wiederhole es sich irgendwo außer Hörweite endlos wieder und wieder. Die Kammer fühlt sich an wie eine Gruft.
    »Perfekt«, sagt eine Stimme.
    Das Wasser drei Meter unterhalb der suchenden Augen sieht im Licht der Taschenlampe so schwarz aus wie ein Maulwurfsfell. Es glänzt und verströmt jenen merkwürdigen Geruch nach Benzin und Salzwasser, der bei Ebbe immer über einem Fluss zu hängen scheint. Nur dass dieses Wasser sich nie bewegt. Dieses Wasser ist so still wie der Tod.
    Ein plötzlicher Laut hoch oben. Hier drinnen leben fliegende Kreaturen, ob es Vögel sind, Fledermäuse oder etwas vollkommen Neues, lässt sich unmöglich sagen. Ein Stein oder ein Ziegelbrocken fällt in das Wasser. Wie zerspringendes Glas zerschneidet das Geräusch die Stille, so scharf, dass die Luft um es herum einen Augenblick lang zu flimmern scheint. Dann ist wieder alles still.
    Als die Gestalt in Schwarz weitergeht, scheint der Geruch sich zu verändern. Menschen, Straßendrogen und Paraffin: Man kann immer noch einen Rest davon riechen. Es ist Jahre her, dass jemand hier unten war. Wahrscheinlich ist es auch Jahre her, dass jemand sich daran erinnert hat, dass dies hier einmal ein Zuhause war.
    Und doch sind Spuren vorhanden, als die Schritte weiterziehen, Spuren von den Menschen, die dieses Gewölbe einst gekannt hat. Eine Laterne mit einem Kerzenstummel darin, ein kleiner, umgekippter Campingkocher. Die Menschen haben sich Wohnnischen geschaffen, mit Kartons, alten Vorhängen, sogar mit einem Ding, das aussieht wie ein Krankenhaus-Wandschirm. Sie haben den riesigen Raum aufgeteilt, um einen Bereich für sich zu haben, haben Wände errichtet, um ihre Privatsphäre zu schützen, und die meisten dieser Gebilde existieren noch. Entlang dieser langen, hohen Galerie gibt es ein Dutzend Verstecke oder sogar noch mehr.
    Ein langes Stück Plastikplane regt sich in einem plötzlichen Windhauch, und es hört sich an wie das Klappern alter Gebeine. Die Plane zeigt den Durchgang an. Die Gestalt streckt den Arm aus und schiebt sie zur Seite. Dann tritt sie hindurch.
    Ein kleinerer Raum. Immer noch kalt, feucht und finster, aber überschaubarer. Eine Matratze liegt auf dem Boden, sogar einen alten Klappstuhl gibt es hier.
    »Perfekt«, flüstert die Stimme wieder. Und dann, noch leiser: »Lacey, ich bin wieder da.«

11
    Ich unterhielt mich mehr als eine Stunde lang mit Rona. Als wir es leid waren, dem Fluss zuzuschauen, standen wir auf und schlenderten am Ufer entlang. An der Brücke machten wir kehrt und schlossen uns der Menschenmenge an, die das schwarz-weiße, erstaunlich winzige, kreisrunde Theater bewunderte. Alles, was sie mir erzählt hatte, war vertraulich. Sie war nicht bereit, Anzeige zu erstatten, sie wollte nur mit jemandem reden. Sie schilderte mir, wie zwei weitere Jungen in die Wohnung gekommen waren; der Ältere war siebzehn, glaubte sie, der Jüngere so alt wie sie, fünfzehn. Die Jungen hatten sie nackt ausgezogen, und dann hatten die beiden Neuankömmlinge sie nacheinander vergewaltigt.

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