Dunkle Gebete
Wagen des Opfers gefunden«, berichtete Tulloch, als wir vom Parkplatz fuhren.
»Den Lexus?«, fragte ich.
Sie nickte. »Wir beobachten ihn ein paar Tage«, sagte sie.
Das war das übliche Verfahren. Zivilbeamte würden den Wagen observieren und sehen, ob irgendjemand sich ihm näherte. Jeder, der besonderes Interesse daran zeigte, konnte wichtig sein und womöglich wissen, was die Frau in diesem Teil Londons gesucht hatte. Andererseits …
»Ein Sechzigtausend-Pfund-Luxusschlitten wird in dieser Wohnsiedlung nicht lange unbemerkt bleiben«, gab ich zu bedenken.
»Wahrscheinlich nicht«, pflichtete Tulloch mir bei. »Den Schlüssel haben wir auch gefunden. In irgendwelchen Müllsäcken, gar nicht weit von da, wo die Frau umgebracht wurde.«
»Wie hat dann …?«, setzte ich an.
»Wir glauben, der Mörder hat ihre Schlüssel an sich genommen und wollte mit ihrem Wagen wegfahren«, sagte Tulloch. »Die Hunde haben jemanden ein Stück weit den Fußweg entlang verfolgt, den Sie gekommen sind, aber dann hat derjenige kehrtgemacht und ist wieder zurückgegangen.«
»Er hat mich kommen hören«, stellte ich fest.
»Wäre logisch«, meinte Tulloch. »Sie haben ihm den Fluchtweg abgeschnitten, also musste er seine Pläne ändern. Er hat die Schlüssel weggeschmissen und ist den Block runtergerannt, außen um die Gebäude herum und dann in Richtung A3 . Die Hunde haben die Fährte am U-Bahnhof Kennington verloren.«
»Inzwischen müssen Sie doch wissen, wer die Tote ist«, sagte ich. »Der Wagen war doch bestimmt zugelassen.«
Sie nickte. »Wir haben eine ziemlich genaue Vorstellung.«
Ich wartete. »Dürfen Sie es mir sagen?«, fragte ich nach einem Moment des Schweigens.
Tulloch seufzte. »Kommt wahrscheinlich heute Abend eh in den Nachrichten«, gab sie nach. »Das Auto war auf einen Mr. David Jones zugelassen. Wohnt in Chiswick, verheiratet mit Geraldine Jones. Wir haben schon Leute da, aber es ist nur das Au-pair-Mädchen zu Hause. Ich bin gerade auf dem Weg dahin.«
Geraldine Jones. Der Name sagte mir überhaupt nichts. »Kann ich mitkommen?«, hörte ich mich fragen.
»Auf gar keinen Fall«, wehrte sie ab und warf mir von der Seite her einen raschen Blick zu. »Sie sollten versuchen, sich ein bisschen auszuruhen. Sie sehen aus, als hätten Sie’s nötig.«
Da konnte ich ihr nicht widersprechen. Wir schwiegen eine Weile. Es gab da etwas, was ich ihr sagen wollte, ich wusste nur nicht, wie ich anfangen sollte. Also fuhr sie, und ich begutachtete meine Fingernägel. Als ich wieder aufblickte, waren wir in der Wandsworth Road, nicht weit von meiner Wohnung.
»Ich habe gehört, an der Mordwaffe war irgendetwas Ungewöhnliches«, versuchte ich mein Glück.
»Das kommt heute Abend definitiv nicht in den Nachrichten«, erwiderte sie mit einem knappen Lächeln, als sie in meine Nebenstraße einbog und an den Bordstein fuhr. Ich legte die Hand auf den Türgriff und drückte die Tür auf. Jetzt oder nie.
»Es tut mir leid, dass ich Mist gebaut habe«, sagte ich. »Ich weiß, wenn ich besser aufgepasst hätte, dann wäre sie wahrscheinlich nicht gestorben.«
Tulloch nahm beide Hände vom Lenkrad und drehte sich in ihrem Sitz zu mir herum, so dass sie mich richtig ansehen konnte. »Wovon reden Sie eigentlich?«
»Wenn ich den Überfall gesehen hätte, hätte ich einschreiten können«, erklärte ich. »Und selbst wenn’s dafür zu spät gewesen wäre, dann hätte ich den Täter identifizieren können.«
Sie nickte bedächtig. »Ja, das ist möglich«, meinte sie. »Oder ich müsste mich jetzt vielleicht mit zwei toten Frauen rumschlagen, und Southwark hätte einen Officer weniger.«
Sie drehte den Zündschlüssel, und der Motor erstarb. »Jedenfalls«, fuhr sie fort, »die Hunde haben die Spur des Mörders auf dem Fußweg, den Sie benutzt haben, aufgenommen, schon vergessen? Er hat Sie kommen hören und ist umgedreht. Er hat die Frau kurz davor überfallen und sie sterbend zurückgelassen, bevor Sie auch nur in der Nähe des Tatorts waren.«
Sie hatte recht. Daran hatte ich nicht gedacht.
»Lacey, Sie sind nicht schuld an dem, was Geraldine Jones passiert ist«, legte Tulloch nach. »Wenn es das ist, was Ihnen durch den Kopf geht, dann haken Sie es schleunigst ab. Und ruhen Sie sich aus.«
Es war nicht meine Schuld gewesen. Geraldine Jones war nicht meinetwegen umgekommen. Ich stieg aus und bedankte mich bei Tulloch fürs Mitnehmen. Sie wies mich an, Montagfrüh in Lewisham aufzukreuzen und fuhr los,
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