Dunkle Gebete
einzusacken«, meinte Joesbury. »Dafür hat DC Flint gesorgt. Ich glaube, wir müssen uns mal diese Briefe ansehen. Na los, Flint, da Sie ja anscheinend unsere Ripperologin vom Dienst sind, suchen Sie uns doch mal eine passende Website.«
Es war nicht leicht, mit Tulloch und Joesbury im Nacken, aber nach ein paar Fehlversuchen fand ich die Internetseite, die ich suchte. Sie befasste sich speziell mit den Hunderten von Ripper-Briefen.
Der Text oben auf der Seite erläuterte, was ich Tulloch und Joesbury bereits erklärt hatte, dass die meisten »Ripper«-Briefe als Fälschungen erachtet wurden. Entweder waren sie das Werk von Journalisten, die für eine Story sorgen wollten, oder von Trotteln, die es darauf anlegten, die Zeit der Polizei zu verschwenden. Lediglich drei schienen echt zu sein.
Der erste dieser Briefe, der berüchtigte Lieber Boss -Brief, war am 27. September 1888 an die Central News Agency geschickt worden; darin wurde zum ersten Mal die Bezeichnung »Jack the Ripper« verwendet. Der zweite war eine Postkarte; sie war mit ähnlicher Handschrift wie der Lieber Boss -Brief verfasst und bezog sich auf Details der Verbrechen, die eigentlich nur der Täter kennen konnte. Der dritte war der Brief »aus der Hölle« gewesen, der zusammen mit der menschlichen Niere eingetroffen war.
Das Telefon klingelte, gerade als ich einen der Briefe auf dem Bildschirm aufrief. Als Tulloch sich meldete, schien sich ihr Gesicht zu verspannen. Sie bedankte sich halblaut und legte auf.
»Sechs Anrufer haben erwähnt, dass das Datum das eines der Rippermorde ist«, berichtete sie.
»Das musst du dir ansehen, Tully.« Joesbury starrte auf den Bildschirm. Er nahm meine Hand von der Maus und vergrößerte das Bild. Es war der Brief vom 27. September 1888, der an Den Boss der Central News Agency geschickt worden war, in recht eleganter, gestochener Handschrift. Wir lasen ihn gemeinsam. Joesbury sprach die Worte mit gerade eben noch hörbarer Stimme vor sich hin. Ehe wir halb fertig waren, war mir übel.
Lieber Boss,
ich höre immer, die Polizei hätte mich geschnappt, aber sie wird mich so schnell nicht erwischen. Was habe ich gelacht, wenn sie so schlaue Gesichter machen und davon reden, dass sie auf der richtigen Spur sind. Dieser Lederschürzen-Witz hat mich fast umgehauen. Ich habe etwas gegen Huren, und ich werde nicht aufhören, sie aufzuschlitzen, bis ich wirklich geschnappt werde. Der letzte Einsatz war ein Meisterwerk. Ich habe der Dame keine Zeit zum Kreischen gelassen. Wie können sie mich da schnappen? Ich liebe meine Arbeit und habe vor, weiterzumachen. Sie werden bald von mir und meinen komischen Spielchen hören. Ich habe beim letzten Mal etwas von dem richtig roten Zeug in einer Bierflasche aufbewahrt, um damit zu schreiben, aber es wurde dick wie Kleister, und ich kann es nicht mehr benutzen. Rote Tinte tut’s auch, hoffe ich. Ha ha. Beim nächsten Mal schneide ich der Dame die Ohren ab und schicke sie der Polizei, nur so zum Spaß, würden Sie das nicht auch tun? Halten Sie diesen Brief zurück, bis ich noch ein bisschen mehr geschafft habe, dann geben Sie ihn heraus. Mein Messer ist so schön scharf. Ich möchte gleich wieder an die Arbeit gehen, falls sich die Gelegenheit bietet. Viel Glück.
Ihr ergebener
Jack the Ripper
Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus, wenn ich mich so nenne.
Mark Joesbury nahm einen pinkfarbenen Leuchtstift von Tullochs Schreibtisch und fing an, Worte und Sätze in dem Brief, den Emma Boston mir vorhin gemailt hatte, anzustreichen. … ich höre immer … Was hab ich gelacht … schlau … auf der richtigen Spur … Dame … Kreischen … Ohren abschneiden … komische Spielchen … das richtig rote Zeug.
In der kurzen Botschaft, die früh am Samstagmorgen durch Emmas Briefschlitz geschoben worden war, waren zweiundzwanzig Worte direkt dem Originalbrief entnommen worden. Als er fertig war, zog Joesbury einen dicken Kreis um Emma Bostons falsch geschriebenen Namen. Liebe Miss Bosston.
»Großer Gott«, murmelte Tulloch.
»Der Drecksack hat uns einen Lieber Boss- Brief geschickt«, meinte Joesbury, für den Fall, dass einer von uns es nicht kapiert hatte. Nach Tullochs Gesichtsausdruck und dem unangenehmen Gefühl ganz hinten in meinem Kiefer zu urteilen, das normalerweise bedeutet, dass ich mich gleich übergeben muss, kann man wohl behaupten, dass wir es beide begriffen hatten.
Tulloch sah mich an. »Haben Sie ihre Adresse?«, fragte sie.
Ich nickte, suchte in meiner Tasche
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