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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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nach dem Zettel und reichte ihn ihr. Sie marschierte auf die Tür zu.
    »Dana, du brauchst da doch nicht selbst hinzugehen«, setzte Joesbury an.
    Tulloch drehte sich um, sah mich kurz an und wandte sich dann an Joesbury. »Lass sie nicht aus den Augen«, wies sie ihn an, ehe sie verschwand.
     

19
    Ein paar Sekunden lang sagte keiner von uns beiden etwas. Joesbury stand direkt hinter mir, nahe genug, dass ich ihn atmen hören konnte. Um aus dem Zimmer herauszukommen, hätte ich über den Schreibtisch springen und losrennen oder mich zu ihm umdrehen müssen. Ich glaube, ich machte mich gerade halbwegs sprungbereit, als er etwas sagte.
    »Wenn Sie in meinem Team wären, wären Sie jetzt schon vom Dienst suspendiert.«
    Wenn ich mich nicht rührte und überhaupt nichts erwiderte, dann würde ihm das Ganze vielleicht langweilig werden und er würde auch verschwinden.
    »Sie hatten diesen Brief seit gestern Abend, seit acht Uhr«, fuhr er fort. »Danach waren Sie drei Stunden lang mit Kollegen zusammen, von denen die Hälfte an diesem Fall arbeitet. Jetzt ist es fast vier Uhr morgens, und wir haben acht Stunden verloren. Sie wissen ja, wie entscheidend das ist.«
    Das war nicht fair. Auf Morde, die viel öffentliches Interesse erregen, folgen immer jede Menge Anrufe von irgendwelchen Spinnern oder anonyme Botschaften, seltsame Verschwörungstheorien und Leute, die Aufmerksamkeit wollen. Um all dem nachzugehen, bräuchte man Kapazitäten, von denen jedes Ermittlungsteam nur träumen konnte. Wir entscheiden nach eigenem Ermessen. Manchmal liegen wir richtig und manchmal nicht. Ich hatte Emma halb im Verdacht gehabt, den Brief selbst geschrieben zu haben, um mein Interesse zu wecken und mich dazu zu bringen, ihr irgendwelche saftigen Details zu verraten.
    Das konnte durchaus immer noch der Fall sein. Emma könnte aus dem Lieber Boss -Brief von damals abgeschrieben haben. Ich ertappte mich dabei, wie ich das aufrichtig hoffte. Jetzt musste ich es erst einmal schaffen, mit einem letzten Rest Würde dieses Büro zu verlassen. Ich drehte mich um.
    Joesburys Sonnenbräune schien zu verblassen. Vielleicht war er bloß müde. Die Narben um sein Auge herum sahen eher noch krasser aus. Er trug ein locker sitzendes, blaues Baumwollhemd und hatte die Ärmel aufgekrempelt. Die Haare auf seinen Unterarmen hatten einen sanften Goldton.
    »Was hat das Ganze mit dem Namen Polly zu tun?«, fragte ich, ohne nachzudenken. »Der Name hat irgendeine Bedeutung für Sie und DI Tulloch. Was für eine?«
    Joesbury schüttelte den Kopf. Er hatte sich noch immer nicht rasiert. Wie bei den meisten englischen Männern waren seine Bartstoppeln eine Mischung aus Braun, Blond und Rot. Sogar kleine graue waren darunter.
    »Beides geht nicht«, sagte ich. »Sie können nicht darauf beharren, dass ich nichts mit den Ermittlungen zu tun habe, und mich dann total zusammenstauchen, weil ich auf irgendetwas nicht sofort reagiere. Wenn ich über diese Polly-Geschichte Bescheid gewusst hätte, ganz egal, was es ist, dann hätte ich früher etwas gesagt. Obwohl ich dann zugegebenermaßen nicht das ungeheure Vergnügen gehabt hätte, Sie und DI Tulloch aus dem Bett zu schmeißen.«
    Etwas, das Zorn hätte sein können, eigentlich aber mehr nach Verblüffung aussah, huschte blitzartig über sein Gesicht.
    »Machen Sie die Tür zu«, wies er mich an.
    Plötzlich ziemlich nervös, tat ich, was er gesagt hatte, und blieb direkt vor der Tür stehen.
    »Das Messer, mit dem Geraldine Jones getötet worden ist, war ein stinknormales Küchenmesser, eins von der Sorte, die man so ziemlich überall in Küchengeschäften und Kaufhäusern kriegt«, sagte Joesbury. »Das Team versucht herauszufinden, wo es gekauft wurde, aber da anscheinend jede Woche mehrere Hundert von den Dingern hergestellt und verkauft werden, haben sie nicht allzu viel Hoffnung.«
    Ich hatte keine blasse Ahnung, worauf er hinauswollte.
    »In einer Hinsicht war das Messer allerdings ungewöhnlich«, fuhr er fort. »In die Klinge waren fünf Buchstaben eingeritzt, entlang der Schneide, gerade mal einen Zentimeter unter dem Griff. Fünf Buchstaben, die einen Namen ergeben.«
    »Polly«, sagte ich.
    Er neigte zustimmend den Kopf. »Und wenn Sie das irgendjemandem gegenüber erwähnen, erwürge ich Sie eigenhändig.«
    Eine Stunde später hatte ich mir so oft auf die Zunge gebissen, dass ich Blut schmeckte. Joesbury hatte in Tullochs Abwesenheit entschieden, dass wir so viel wie möglich über die

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