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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Mannes waren. Der erste ereignete sich am 31. August 1888.« Ich hielt inne. Die Klimaanlage in diesem Raum war ziemlich heftig, und allmählich bekam ich einen rauen Hals.
    »Weiter, Lacey«, drängte Tulloch. Etwas wie Ungeduld schwang in ihrer Stimme mit. Joesbury trat aus meinem Blickfeld.
    »Mary Ann Nichols, bekannt als Polly Nichols, wurde morgens um zwanzig vor vier in einer dunklen Gasse namens Bucks Row gefunden«, berichtete ich. »Wahrscheinlich war sie noch am Leben, als sie gefunden wurde, doch als ein Arzt eintraf, war sie tot. Daraufhin wurde sie in die Leichenhalle geschafft, wo eine Obduktion durchgeführt wurde. Sie hatte zwei tiefe Schnittwunden am Hals. Beide Halsschlagadern und das umliegende Gewebe waren bis zur Halswirbelsäule durchtrennt. Die Schnitte waren mit etwas gemacht worden, was der Polizeiarzt als halbwegs scharfes, starkklingiges Messer bezeichnete, und zwar unter Anwendung massiver Gewalt. Außerdem hatte sie mehrere Schnittwunden im Bauch, von einem Messer, das mit großer Wucht abwärts zugestochen hatte.«
    Ich hielt inne und schluckte heftig.
    »Der Arzt war der Ansicht, dass der Angreifer über anatomische Kenntnisse verfügt haben musste, weil er auf sämtliche lebenswichtigen Organe gezielt hatte«, sagte ich. »Das ist übrigens genau jene flapsige Bemerkung, die zu der Theorie geführt hat, Jack sei Chirurg gewesen. Der Arzt kam zu dem Schluss, dass die Attacke nicht länger als vier oder fünf Minuten gedauert haben könnte.«
    Um mich herum klommen etliche Augenbrauen in die Höhe. Dann tauchte Joesbury mit einem Glas Wasser in der Hand vor mir auf. Ohne mir in die Augen zu sehen, hielt er es mir hin, und ich nahm es.
    »Eine der Formulierungen, die Sie in Bezug auf den Ripper oft hören werden«, fuhr ich nach ein paar großen Schlucken fort, »ist ›spurlos verschwunden‹. Denn genau so ist es gewesen. Die Polizei hat damals das Gebiet um die Bucks Row herum abgesucht und nichts gefunden. Wenige Meter von der Stelle entfernt, wo Polly umgebracht wurde, haben Menschen geschlafen und nichts gehört. Als sie gefunden wurde, hat sie noch gelebt, mit diesen schrecklichen Verletzungen; der Mörder konnte sich also gerade erst davongemacht haben. Niemand hatte etwas gesehen.«
    »Hört sich verdammt ähnlich an wie das, was Freitagabend passiert ist«, bemerkte Stenning vom seinem Platz beim Fenster her.
    Einen Augenblick lang sagte niemand etwas.
    »Andererseits ist Kennington sehr weit weg von Whitechapel, Geraldine Jones war keine Prostituierte, und sie wurde nicht in den frühen Morgenstunden umgebracht«, gab Mark Joesbury zu bedenken. »Bleiben wir mal fürs Erste noch auf dem Teppich. Wann hat er wieder zugeschlagen, Flint?«
    »Moment«, unterbrach Tulloch »Darf ich nur –«
    Es klopfte an der Tür. Alles drehte die Köpfe. Ich kannte den Mann nicht, der in der Tür stand, doch Tulloch stand auf und nickte ihm zu.
    »Kurze Pause«, sagte sie. »Danke, Lacey.«
    Als ich wieder an dem Schreibtisch saß, der mir vorübergehend zugewiesen worden war, versuchte ich, ein bisschen mehr über Emma Boston herauszufinden. Sie war in keinem Online-Journalistenverzeichnis aufgeführt, sie war nicht in der Journalistengewerkschaft, und ebenso wenig konnte ich ihren Namen in einem der Archive der nationalen Zeitungen oder der größeren Lokalzeitungen finden. Allerdings wurde sie in der inoffiziellen und anonymen Polizei-Bloggerszene mehrmals erwähnt.
    Emma Boston war im Laufe ihrer kurzen Karriere als Journalistin in London mehr als einem meiner Kollegen auf die Zehen getreten. Laut »Dave of Dagenham«, einem viel beachteten Polizei-Blog, war sie eine geschwätzige Zicke, äußerlich und moralisch gleichermaßen abstoßend, die sich ihren Lebensunterhalt mit Lügen verdiente und das Kätzchen ihrer Großmutter verticken würde, wenn sie dabei ein paar Pfund abgreifen könnte. Ein anderer Blogger behauptete, sie nähme Drogen, und empfahl regelmäßige Razzien in dem Slum, den sie als ihr Zuhause bezeichnete.
    Die Uhrzeiger krochen auf Mittag zu, und Stenning streckte den Kopf herein, um zu verkünden, dass das Team sich in dem Pub um die Ecke ein spätes Frühstück/frühes Mittagessen genehmigen würde. Ich schüttelte den Kopf, als er mich aufforderte, mitzukommen, hauptsächlich, weil ich gesehen hatte, wie Joesbury zusammen mit den anderen das Revier verlassen hatte. Irgendetwas an dem Mann machte mich nervös.
    Stattdessen holte ich mir Sandwiches, Chips und Wasser aus

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