Dunkle Gebete
zurücklehnte und eine Augenbraue hochzog. »Mittelklassefrauen um die vierzig. Das machen die alle. Lest doch mal die Mail on Sunday. Also, einer von den Ehemännern hat sich’s anders überlegt. Hat beschlossen, dass die Frauen alle Huren sind und dass er sie zerstückeln wird.«
Fast auf die Sekunde genau bissen Joesbury und ich in unsere Sandwiches. Tulloch knabberte an der Ecke von ihrem.
Stenning beugte sich über den Tisch, als könne physische Nähe zu den beiden ranghöheren Detectives helfen, diese zu überzeugen. »Wir haben doch schon abgefahrenere Sachen erlebt«, meinte er.
»Wenn der Kerl, dem ich da hinterhergerannt bin, ein Mittelklassetyp um die vierzig gewesen wäre, hätte ich ihn gekriegt«, wandte Joesbury ein.
Ich schaute auf und fing Tullochs Blick auf. Schwer zu sagen, wer von uns beiden zuerst lächelte.
»Beide Opfer waren derselbe Typ.« Stenning gab nicht so schnell auf. »Lunch-Ladys.«
Weder an dem Leichnam noch im Schuppen war etwas zu finden gewesen, was uns verraten hätte, wer unser letztes Opfer war. Alles, was wir wussten, war, dass sie wahrscheinlich Anfang bis Mitte vierzig war und dass sie schlank war und gesund aussah, mit manikürten Fingernägeln und professionell geschnittenem und gefärbtem Haar.
Als ich in den Einsatzraum zurückgekommen war, hatte man mich gebeten, die Vermisstenliste durchzugehen. Ich war auf etliche mögliche Treffer gestoßen, allerdings hatte keins der Fotos, die ich betrachtete, große Ähnlichkeit mit der Frau, die ich im Schuppen gesehen hatte. Trotzdem würden wir gleich morgen früh mit der unerfreulichen Arbeit beginnen, die Angehörigen zu kontaktieren.
Der Name und die weiteren Angaben, die ich von dem Mann bekommen hatte, der wegen des Bootsschuppens angerufen hatte, hatten sich als falsch herausgestellt.
Während wir im Revier gewesen waren, hatten wir die ganze Zeit Lageberichte von Kollegen draußen auf den Straßen bekommen. Der Mann, den wir auf seiner Flucht aus dem Park gejagt hatten – wir nannten ihn Samuel Cooper, bis wir etwas anderes wussten –, war verschwunden. Joesbury nahm an, dass er über eine Mauer in einen Garten gesprungen und einen Bogen zurück auf die Hauptstraße geschlagen hatte. Ein Hubschrauber war angefordert worden, doch als er eintraf, wussten wir, dass keine Hoffnung mehr bestand; der Flüchtige hatte reichlich Zeit gehabt zu entkommen. Doch Coopers Personenbeschreibung war in ganz London herumgefunkt worden, und jeder Streifenwagen auf den Straßen würde nach ihm Ausschau halten.
Aufnahmen der Überwachungskameras vom späten Samstagabend zeigten, wie jemand, der exakt so gekleidet war wie unser Verdächtiger vorhin, in Begleitung einer dunkelhaarigen Frau den Park betrat. Die Frau hatte einen braunen Mantel mit großen weißen Punkten getragen und könnte durchaus das Opfer gewesen sein. Beide waren dicht nebeneinander hergegangen, und die Frau schien keinerlei Widerstand zu leisten.
Nachdem wir uns diese Aufnahmen angesehen hatten, ließ Tulloch die vom Brendon Estate herbeischaffen, von dem Abend, an dem Geraldine Jones getötet worden war. Nach einer halben Stunde wurden wir für unsere Mühe belohnt. Eine Gestalt, die abermals genauso angezogen war wie unser Verdächtiger, hatte den U-Bahnhof von Kennington betreten, gut fünf Minuten, nachdem Geraldine in meinen Armen zusammengebrochen war. Ich saß da und betrachtete die beiden Teilsequenzen eine Weile, wechselte von einer zur anderen.
»Dieselben Klamotten bei drei verschiedenen Anlässen«, hatte ich halb zu mir selbst gesagt.
»Eine andere Hose an dem Abend, als Geraldine Jones umgebracht wurde«, hatte Tulloch direkt hinter mir widersprochen. »Das sieht für mich nach einer Cargohose aus. Und vielleicht hat er ja nur die eine Jacke.«
»Könnte sein.« Irgendetwas machte mir zu schaffen, ich konnte nur nicht genau sagen, was. Schließlich zog Tulloch mich vom Monitor ab.
Obwohl wir nicht sicher waren, dass Samuel Cooper der Mörder war, war sein Bild an die Presse gegeben worden. Mehr als eine überregionale Zeitung druckte ihre Titelseite neu, damit sie das Bild des Mannes zeigte, der verdächtigt wurde, der neue Ripper zu sein.
»Ihr glaubt also, er sucht sich viktorianische Schauplätze aus?«, fragte Tulloch jetzt und warf Joesbury einen kurzen Seitenblick zu.
Er nickte; er hatte sich gerade den letzten Rest seines Sandwichs in den Mund gestopft und konnte nicht antworten.
»Oder mit einer Verbindung zur viktorianischen
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