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Dunkle Gebete

Dunkle Gebete

Titel: Dunkle Gebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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ein gutes Omen.
    Das Tageslicht schwand jetzt rasch, und der Himmel hatte jenen wunderschönen Türkiston angenommen, der für Herbstabende so typisch ist. Das ist eine seltsame Tageszeit, finde ich immer, eine eigenartige Halb-Zeit, in der die Welt, die man kennt, sich … schleichend wandelt.
    Mir wurde klar, dass meine Welt gerade eine ziemlich gewaltige Wandlung hinter sich hatte.
    Hinter mir am See war der Bootsschuppen hell erleuchtet wie ein Zirkus. Gerade traf der Polizeiarzt ein. Ich sah andere Beamte dort durcheinanderwuseln und wusste, dass sie mich wegen der Scheinwerfer nicht sehen konnten. Ich war praktisch unsichtbar geworden.
    Es war meinem Seelenfrieden ganz und gar nicht zuträglich, dass das auch auf Joesbury und Stenning zutraf, und ich konnte nur hoffen, dass sie wussten, was sie taten.
    Ansonsten wäre ich nämlich auf mich allein gestellt gewesen, ein paar hundert Meter weit von allen anderen entfernt, in einem Park, in dem es schnell immer dunkler wurde. Und jemandem ausgeliefert, der sich vielleicht gern Zeit dabei ließ, Frauen abzuschlachten, der aber auch sehr schnell handeln konnte, wenn es nötig war.
    Ich ging weiter, zur Kuppe des Hügels hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter, ehe ich den Weg kreuzte und mich einem kleinen See näherte. Jetzt konnte ich von dem Treiben auf der anderen Seite des Spielplatzes nichts mehr sehen. Meine beiden Aufpasser waren ebenfalls noch immer nicht zu sehen. Wenn die beiden mich hier draußen allein gelassen hatten, konnte DI Tulloch sich hinten anstellen, wenn’s ans Eierabschneiden ging.
    Über meinem Kopf schien ein dreiviertelvoller Mond, und die ersten Sterne kamen hervor. Um den See herum waren Büsche gepflanzt worden, und ich beschloss, auf die andere Seite hinüberzugehen. Das wäre weniger sicher, als auf freiem Gelände zu bleiben, aber wahrscheinlich musste es sein. Solange ich auf Nummer sicher ging, würde er sich fernhalten.
    Das letzte Licht des Sonnenuntergangs spiegelte sich in dem See, und die Wellenkreise um die Schilfhalme schimmerten in einem sanften, dunklen Rosaton. Bronzefarbene Buchenblätter trieben wie kleine Boote auf der Oberfläche. Der Lärm der Stadt verschwindet in London niemals ganz, in der Mitte eines großen Parks jedoch wird er schwächer, bis er nicht viel mehr ist als ein schwaches Summen im Hintergrund, wie Insekten an einem Sommertag. Londoner Parks bieten das, was in einer Großstadt Ruhe und Frieden am nächsten kommt. Ich sah zu, wie ein Blatt über das Wasser glitt, und dachte, dass ich in meinem ganzen Leben selten weniger Frieden verspürt hatte.
    Die Dunkelheit brach jetzt rasch herein, und Schatten schlichen über das Gras auf mich zu. Die Geräusche der Ermittler schienen sehr weit weg zu sein. Ich hatte das Ende des Sees erreicht. Ein plötzliches scharrendes Rascheln und dann ein hoher Warnschrei ließen mich zusammenfahren. Doch es war bloß eine Ente, die aus ihrem Versteck im Schilf aufgescheucht worden war. Ich sah ihr nach, als sie eilends auf das andere Ufer zuhielt, und die Wellen, die sie zurückließ, trieben auf mich zu wie geflüsterte Worte.
    Dieser verdammte Joesbury. War es nicht genug, dass ich gesehen hatte, was dieses Ungeheuer anderen Frauen antat? Musste ich wirklich mit einem Neonschild durch die Gegend laufen, auf dem »Ich will die Nächste sein« stand?
    Das leise Ploppen eines aufspringenden Tennisballs. Und ich war mir urplötzlich der Haare in meinem Nacken bewusst. Wir hatten mittlerweile die Uhrzeit, zu der der Park normalerweise schließen würde. Meine Kollegen drüben am Tatort würden die Leute zum Gehen drängen. Niemand konnte hier Tennis spielen. Und die Tennisplätze waren zu weit weg.
    Etwas traf mich genau zwischen den Schulterblättern.
    Was aus meinem Mund kam, war mehr ein erschrockenes Aufquietschen als ein Schrei. Ich bezweifle, dass es weit zu hören gewesen wäre. Ich fuhr herum. Niemand da. Wie wild drehte ich mich auf der Stelle. Nichts. Niemand irgendwo in meiner Nähe. Aber einen guten Meter entfernt lag ein gelber Tennisball in einem Nest aus Löwenzahnblättern. Ich wandte mich in die Richtung, aus der er gekommen sein musste. Und sah ihn.
    Ein Mann, schlank genug für einen Halbwüchsigen. Wir starrten einander an. Er war ungefähr fünfundzwanzig Meter entfernt, zu weit, als dass ich sein Gesicht in der Dämmerung hätte erkennen können, daher ließ sich nicht mit Sicherheit sagen, ob es Samuel Cooper war, doch alles, was ich sehen

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