Dunkle Gefährtin
hätte einfach zur Polizei gehen und ihnen alles sagen können. Es war gänzlich unnötig gewesen, sie direkt anzusprechen.
Aber das hatte er getan, und nun bezahlte er dafür. Seit Seattle dachte er an sie, was er vor sich selbst leugnete, weil er meinte, er könnte keine Halbdämonin gebrauchen, der er sein Leben verdankte. Dennoch hatte er, kaum dass er in Los Angeles angekommen war, einen Weg gefunden, wie er ihr wieder begegnen konnte.
Gestern Abend im Merrick’s, als sie in dem hautengen schwarzen Kleid hereingekommen war, die Schultern un-bedeckt und die Beine schier unendlich lang, hatte er begriffen, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte. Nie wieder würde er diese umwerfende Frau aus seinem Kopf verbannen können.
Er wollte sich ablenken, indem er durch die dunkle Gasse streifte, in der er allerdings nichts fand, was er nicht vorher schon gesehen hatte. Zwar spürte er einen winzigen Überrest der Magie, die zur Teleportation benutzt wurde, doch zu wenig, um den Ursprungsort zu ergründen.
Schließlich gab Tain es auf, mehr zu entdecken, winkte sich ein Taxi heran und nannte dem Fahrer Hunters Adresse in Malibu. Er hatte kein Geld bei sich, doch sein Bruder konnte die Fahrt bezahlen, und Tain erstattete ihm den Betrag, wenn sie das nächste Mal zu einer Bank fuhren, wo Hunter ihm wieder einmal erklärte, wie das mit diesen komischen Automaten funktionierte. Adrian hatte Tain ein Konto eingerichtet und mit einer beträchtlichen Summe ausgestattet, weil er meinte, das hätte Tain verdient nach allem, was er durchgemacht hatte. Tain dankte ihm, benutzte das Konto jedoch selten, weil er zum einen mit diesen Maschinen nicht zurechtkam, die regelmäßig seine Karte verschluckten, und zum anderen noch nie im Leben große Verwendung für Geld gehabt hatte. Ohne kam er bestens klar, und an Dekadenz lag ihm nichts.
Eine schwarze Limousine stand in der Auffahrt zu dem flachen Haus in den Malibu-Hügeln. Tain sagte dem Taxifahrer, er solle warten, und ging zur Vordertür, wo er sogleich eine Vampirnote wahrnahm. Der Limousinenfahrer war zweifellos ein Vampir. Er umklammerte sein Lenkrad extrafest, als Tain ihn ansah.
»Tain!« Leda Stowe begrüßte ihn herzlich und umarmte ihn mit einem Arm, denn in dem anderen hielt sie den kleinen Ryan, der Blasen aus seinem Babyspeichel zauberte.
Leda nahm Tains Hand und zog ihn ins Haus, wo sie ihm gleich Ryan in den Arm drückte. »Guckt mal, wer hier ist!«, rief sie den beiden Männern im Wohnzimmer zu.
Einer von ihnen war Tains Bruder Hunter. Er hatte mittelbraunes strohiges Haar und sehr grüne Augen. Trauer war ihm nicht fremd, denn er hatte seine erste Frau und seine zwei Kinder verloren, die vor langer Zeit brutal von einem Dämon ermordet worden waren. Bei Leda hatte er endlich wieder Frieden gefunden. Dennoch entging Tain nicht, mit welcher Sorge und Angst Hunter seine jetzige Frau und seinen kleinen Sohn betrachtete. Er wollte sie um jeden Preis beschützen.
Der andere Mann im Wohnzimmer war ein Vampir – ein Ewiger, also sehr alt und sehr mächtig. Er hatte dunkles Haar, unendlich tiefe blaue Augen und eine todesmagische Aura, bei der Tain schlecht wurde. Auch wenn Tain nie verstehen würde, wie Hunter ein solches Wesen ins Haus lassen konnte, wusste er bereits, dass Hunter und der Vampir sich quasi angefreundet hatten.
»Aha«, sagte Hunter, »Rätsel gelöst!«
»Welches Rätsel?« Tain verlagerte das Baby in seinem Arm und setzte sich aufs Sofa.
»Unser Septimus hämmerte um Mitternacht an die Vordertür«, erklärte Hunter, »und wollte wissen, wieso ich einen seiner Vampire in einer Seitengasse verscheucht habe, obwohl ich doch den ganzen Tag und Abend nicht vor der Tür war.«
Septimus ergänzte sanft: »Der Vampir aus meinem Zuständigkeitsbereich erzählte, dass er in einer Seitengasse von einem großen Mann bedroht wurde, der eine unglaubliche Lebensmagie und ein Schwert besaß.«
Hunter grinste. »Also dachte Septimus natürlich, dass ich das war. Aber du warst es, oder?«
»Ja.«
»Gab es einen besonderen Grund?«, fragte Septimus.
»Er belästigte ein Dämonenmädchen«, antwortete Tain.
Septimus lüpfte die Brauen. »Eine Dämonin.«
»Die gefoltert und fast getötet wurde. Außerdem hatte man sie gezwungen, die brutale Ermordung ihrer Schwester mit anzusehen. Ich fand nicht, dass sie es verdient hatte, danach auch noch von einem Vampir ausgesaugt zu werden.«
Leda, Hunter und Septimus starrten ihn erschrocken an. Ryan hingegen
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