Dunkle Gefährtin
um Probleme wie Tain zu kümmern.«
»Falls Tain wieder dem Wahnsinn verfallen sein sollte – und ich sage nicht, dass er es ist –, wie kommst du auf die Idee, dass ich mich um ihn kümmern könnte? Ich bin nicht annähernd so stark wie seine Brüder, übrigens auch nicht wie du.«
»Du hast ihm schon einmal geholfen«, antwortete Septimus. »Letztes Jahr oben in Seattle war er komplett irre, und trotzdem hat er dich angesehen, mit dir geredet und sogar mit dir geflirtet. Ich war dabei, und ich erinnere mich sehr gut. Es war sicher kein Zufall, dass ihn seine Brüder, kurz nachdem er dich kennengelernt hatte, befreien konnten. Oder dass Cerridwen dich als diejenige aussuchte, in deren Körper sie während der Schlacht eindrang.«
»Ich glaube, du überschätzt meinen Einfluss auf ihn.«
»Ich glaube, er hat recht«, mischte Kelly sich leise ein.
Samantha war gar nicht wohl, und sie wünschte sich inständig, dass diese Bilder nichts zu sagen hatten. Ihr war der Gedanke unerträglich, dass Tain wieder in den Wahn abdriften könnte. Ihn zu verlieren, würde sie nicht verkraften.
Sie dachte an seine gespeicherte Telefonnummer, die sie vorhin beinahe gewählt hätte. Wäre er überhaupt rangegangen? Seine letzte Frage hatte sie davon abgehalten, es zu versuchen.
Vertraust du mir?
Ich muss ihm vertrauen. Sonst wäre meine Liebe zu ihm nichts wert.
Sie schluckte, weil ihr Mund unangenehm trocken war. »Und was soll ich deiner Meinung nach machen? Ihm nachfahren und ihn nach L.A. zurückschleifen?«
»Ich wollte nur, dass du weißt, was er tut«, antwortete Septimus. »Du kannst die Akte haben und damit machen, was du willst.«
Samantha blickte angewidert auf die braune Pappmappe. Dann nickte sie. Unweigerlich kam ihr der Verdacht, dass Septimus sie ihr bereitwillig übergab, weil er sich bereits Kopien gezogen hatte.
Die Kellnerin brachte perfekt angerichtete Teller herein, aber bei dem Duft krampfte Samanthas Magen sich zusammen. »Entschuldigt, aber ich habe keinen Appetit. Außerdem habe ich schon zu Abend gegessen.«
»Das verstehe ich.«
Sie stand auf. »Ich muss gehen.«
Wieder nickte Septimus verhalten, und Kelly sah sie voller Mitgefühl und Sorge an. Dann schnippte Septimus nach der Bedienung. »Sagen Sie meinem Fahrer, er möchte Miss Taylor nach Hause bringen.«
Lieber hätte Samantha ein Taxi genommen, weil ihr nicht nach einer weiteren Fahrt in Septimus’ Luxuslimousine war, aber der Empfangschef begleitete sie hinaus zu der wartenden Limousine, ehe sie auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte.
Weil sie sich auf keinen Fall einem neugierigen Hunter stellen wollte, bat sie den Fahrer, sie zum Präsidium zu chauffieren. Dort konnte sie allein an ihrem Schreibtisch sitzen, sich die Akte noch einmal in Ruhe ansehen und überlegen, was zu tun war, bevor sie wieder nach Malibu fuhr. Das Letzte, was sie wollte, war, dass Hunter seine Brüder zusammentrommelte, damit sie den verrückten Tain einfingen.
Nein, das Letzte, was sie wollte, war, dass stimmte, was sie in der Akte gesehen hatte – dass Tain sich an einem Dämon nach dem anderen rächte, angefangen bei den hilflosesten bis hinauf zur Matriarchin. Sie hatte nicht vergessen, wie mühelos er am ersten Abend, an dem sie ihn wiedersah, die Dämonen im Merrick’s tötete. Zwei Strahlen seiner gleißenden Magie, und sie waren tot gewesen. Sie abzuschlachten hatte er gar nicht nötig.
Als sie jedoch an ihrem Schreibtisch saß und Septimus’ Notizen und Photos vor sich ausbreitete, musste sie einsehen, dass Tain unmittelbar mit den Fällen zu tun hatte. Laut Zeitangabe auf dem einen Photo war er kurz vor dem Tod der Matriarchin vor ihrer Villa gewesen.
Samantha sah die Aufnahme an, stützte den Kopf in die Hände und fragte sich, wo zur Hölle Tain gerade steckte.
Ed setzte Tain gegen Mitternacht auf dem Sandweg ab, zu dem Vonda ihn dirigiert hatte. Die beiden anderen wollten nicht aussteigen.
»Bist du sicher?«, fragte Ed, der einen Arm in das offene Seitenfenster lehnte. »Hier ist es echt gruselig.«
»Ich komme schon klar.«
»Tja, na gut. Ruf mich an, wenn du wieder eine Mitfahrgelegenheit brauchst. Man sieht sich.«
Vonda nickte Tain zu und blickte nervös über die verlassene Wüste. Nachdem Tain ihnen zum Abschied gewinkt hatte, wendete Ed den Truck und brauste davon, so dass er Tain in eine Wolke aus Abgasen und Staub hüllte.
Auf der unbefestigten Straße war weit und breit niemand zu sehen. Östlich ragten einige
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