Dunkle Gefährtin
nächsten Moment blies Wind durch den Kreis, der Blätter und Zweige aufwirbelte, und Tain fühlte eine intensive Magie, heller und heißer als alles, was er bisher gefühlt hatte.
Dann wurde das Licht matter, und eine Frau erschien auf der Lichtung. Ihr wildes Haar war von demselben Rot wie Tains, und sie trug einen schimmernden Überwurf, der ihre Hüften umhüllte und ihre Brüste bedeckte. Ängstlich eilte Tain zur Kreismitte, als die Frau eine Hand nach unten streckte und seinen Vater berührte.
Tränen rannen dem ehemaligen Zenturio über das wettergegerbte Gesicht, als er mit einer Mischung aus Bewunderung und Trauer zu der Frau aufschaute.
»Ich tat, worum du mich gebeten hast«, sagte er mit gebrochener Stimme. »Ich zog ihn auf, so gut es mir möglich war. Meine Liebe, warum bist du nie zu mir zurückgekehrt?«
»Weil er mich nicht kennen durfte, bevor die Zeit gekommen war«, antwortete sie mit einem weichen melodischen Akzent.
»Die Zeit wofür?«, fragte Tain, der klopfenden Herzens zu ihnen getreten war. »Wer bist du?«
»Tain, dies ist deine Mutter«, flüsterte sein Vater.
»Meine Mutter war eine Gallierin, eine Sklavin.«
»Nein. Sie ist eine Göttin.«
Tain blickte zu der rothaarigen Frau, und die Lebensmagie, die ihm von ihr entgegenströmte, traf ihn mit unvorstellbarer Wucht. Er entsann sich, wie die Vampirin gefaucht hatte, als sie sein Blut kostete, und behauptet hatte, Tain besäße mehr Lebensmagie als ein Sidhe.
»Warum hast du es mir nie gesagt?«, wollte Tain wissen.
Die Frau – Cerridwen, wie er nun wusste – wandte sich ihm zu. Ihre Augen waren wie Feuer, strahlend gelb. Er wollte gleichzeitig weglaufen und für immer hineinsehen. »Es war mein Wunsch, dass du ein einfaches Leben führst, mein Sohn. Du solltest schlichtes Glück erleben, bevor du dich dem stellst, was kommen wird.«
»Was wird kommen?«, fragte er schroff.
»Gefahr«, antwortete Cerridwen, »Finsternis. Dinge, vor denen ich dich nicht schützen kann. Du bist ein Krieger, Tain, einer der größten Krieger der Welt. Aber du brauchst eine Ausbildung.«
»Mein Vater lehrt mich.«
»Mit Schwertern zu kämpfen, ja. Doch du musst so viel mehr lernen – wie du die Welt vor der Dunkelheit schützt, die auf Erden wandelt. Und du sollst lernen, deine Heilkraft ebenso zu nutzen wie deine Macht der Zerstörung.«
»Ich gehe nach Rom und trete dem Heer bei. Alt genug bin ich bereits länger, nur wollte ich Vater nicht verlassen, ehe ich jemanden gefunden habe, der ihm auf dem Hof hilft.«
Sein Vater schüttelte den Kopf. »Nein, mein Sohn. Du musst nun mit ihr gehen.«
»Und wenn ich nicht will?«
»Du kommst mit mir«, bestimmte Cerridwen, die ihm ihre Hand hinhielt. Gleichsam von selbst bewegte Tain sich auf sie zu, obwohl alles in ihm schrie, er sollte es nicht tun.
Sein Vater beobachtete unter Tränen, wie Cerridwen ihre Hand auf Tains Wange drückte. Ein plötzlicher scharfer Schmerz durchfuhr ihn, aber Tain war außerstande zurückzuweichen. Während sein Vater aufschrie, rührte Tain sich nicht, sondern sah Cerridwen in die wunderschönen übermächtigen Augen.
Als sie ihre Hand wieder wegnahm, bemerkte Tain eine schwarze Zeichnung auf der Innenfläche: ein fünfzackiger Stern in einem Kreis. Und in diesem Moment wusste er, wer er war. Er war nicht der Sohn einer Sklavin und eines römischen Soldaten. Nein, er war ein Halbgott, der als Mensch aufgezogen worden war. Sein Vater war immer noch sein Vater, der auserwählte Geliebte einer Göttin.
Dunst waberte zwischen zweien der aufrechten Steine auf, und sobald er sich klärte, standen vier große Männer dort.
»Deine Brüder«, erklärte Cerridwen. »Sie sind hergekommen, um dich heimzubringen.«
Tain hasste sie auf den ersten Blick. Sie alle waren kräftig, genauso groß wie Tain, allerdings ein bisschen älter, ihre Körper muskulöser. Einer hatte dunkles Haar und ein Armband in Form einer Schlange. Den zweiten kennzeichneten beinahe überall auf den bloßen Armen Tätowierungen. Der dritte sah ihn mit durchdringenden grauen Augen an, die arrogant wirkten, und der vierte hatte mittelbraunes Haar, grüne Augen, ein breites Grinsen und ein riesiges Schwert auf seinem Rücken.
»Hallo, kleiner Bruder!«, begrüßte ihn der vierte in akzentfreiem Soldatenrömisch. »Ich bin Hunter. Freut mich, dich kennenzulernen!«
»Wie können sie meine Brüder sein?« Tain drehte sich vorwurfsvoll zu Cerridwen um. »Sind sie deine Söhne?«
»Sie sind deine
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