Dunkle Gewaesser
treiben lassen. Für einen ist das leichter als für uns alle zusammen.«
»Ein guter Plan hört sich anders an«, sagte Jinx.
»Dem muss ich zustimmen«, sagte Terry.
»Ich auch«, sagte Mama.
»Ich kann echt schnell rennen, und wenn ich’s zum Fluss schaffe und mich mit dem Baumstamm abstoße, und wenn Skunk mir nicht zu dicht auf den Fersen ist und die Strömung schnell genug, dann krieg ich das hin.«
»Das sind aber eine Menge Wenns«, sagte Mama.
»Wenn wir hierbleiben, sind wir alle tot«, erwiderte ich. »Ich nehm das Beil mit. Mit dem kann ich besser umgehen als mit der Pistole. Außerdem ist es nicht so schwer.«
Ich ging zum Kamin und holte das Beil. »Jetzt?«, fragte Mama. »Du willst jetzt gleich los?«
»Warten bringt nichts«, sagte ich. »Skunk rechnet bestimmt nicht damit, dass ich zum Fluss renne, wenn ich mich doch hier in der Hütte verstecken kann. Das ist ein Vorteil für mich.«
»Aber kein großer«, sagte Terry.
Ich umarmte Mama und Jinx, ging ins Schlafzimmer und umarmte Terry.
»Du musst das nicht tun«, sagte Mama, als ich wieder in die große Stube zurückkam.
»Und ob«, erwiderte ich.
Ich ging zur Tür, und Mama folgte mir.
»Pass auf dich auf«, rief Terry mir aus dem Schlafzimmer hinterher.
Ich holte tief Luft und sagte zu Jinx: »Du machst auf, und dann renn ich wie der Teufel.«
Sie öffnete die Tür, und ich sauste mit dem Beil in der Hand los wie ein wilder Mustang. Es sah so aus, als hätte ich freie Bahn. Von Skunk keine Spur. Vor mir lag die Böschung, die zum Wasser runter führte. Das Gras war grün, und nachdem es letzte Nacht geregnet hatte, war der Wind kühl. Fast machte mir die ganze Sache Spaß. Ich glaubte schon, dass alles gutgehen würde. Dass ich es zum Fluss und dem Baumstamm schaffen würde, ohne dass auch nur ein Grashüpfer sich mit mir anlegte, aber in dem Moment sah ich ihn aus dem Wald kommen.
Tja, eigentlich heißt es ja, dass man sich im Dunkeln mehr vor etwas fürchtet, und das letzte Mal hatte ich ihn mitten in der Nacht am Ufer entlangrennen sehen, mit einem Beil in der Hand, genau wie ich jetzt. Aber bei Tageslicht wirkte er noch viel furchterregender, darauf schwör ich Stein und Bein.
Er war groß und stämmig und hielt eine Machete in der Hand. Außerdem hatte er seine Melone auf, und seine Haare waren darunter zusammengerollt und voller Kiefernnadeln und Blätter und Erde und dergleichen; auch der Vogel baumelte ihm noch am Kopf. An seinem Hut, den er sich mit einer Schnur unter dem Kinn festgebunden hatte, funkelte irgendwas. Es war das Licht, dass sich in Constable Sys Dienstabzeichen spiegelte. Um seinen Hals hingen an einer Lederkordel die Hände, die er Constable Sy, Gene und der alten Frau abgehackt hatte, und eine schwarze Hand, die von Terrys Arm stammte; während er rannte, flatterten sie ihm gegen die Brust wie Vögel im Sturzflug. Seinen Beutel trug er nicht auf dem Rücken – offenbar hatte er ihn irgendwo hingeworfen, um schneller vorwärtszukommen. Der Mund stand ihm offen, und er hatte überraschend gute weiße Zähne und jede Menge davon. Er stieß ein Geräusch aus wie jemand, der mit einer Steckrübe gurgelt; anscheinend stimmte die Geschichte, dass ihm die Zunge rausgerissen worden war. Aber im Moment hatte ich andere Sorgen. Ich konzentrierte mich ganz auf den Pfad vor mir, auf den Fluss undden verdammten Baumstamm. Mir wurde jedoch schnell klar, dass ich es nicht schaffen würde.
Aber genauso gut wusste ich, dass mir nicht genug Zeit blieb, um umzukehren und zum Haus zu rennen. Er würde mir den Weg abschneiden.
Also schlug ich einen Haken und nahm Kurs auf das Dornengestrüpp. Das war keine besonders gute Idee, aber wie ich Skunk auf mich zustürzen sah, fiel mir nichts Besseres ein. Ich musste da reinspringen, oder mein Hals würde Bekanntschaft mit der Machete machen.
Kurz bevor ich das Dornengestrüpp erreichte, schaute ich mich um und sah Skunk mit erhobener Klinge, und heiliger Strohsack, er war keine anderthalb Meter mehr von mir entfernt. In dem Moment krachte es laut, und Skunk erstarrte urplötzlich und schlug lang hin. Ich zögerte und schaute in die Richtung, aus der der Knall gekommen war. An einem Fenster der Hütte standen die Läden offen, und Jinx’ leuchtend schwarzes Gesicht schwebte in der Fensteröffnung; die große Pistole hatte sie auf dem Fenstersims aufgestützt. Das war ein ziemlicher Glückstreffer gewesen, vor allem wenn man bedachte, dass sie ihn auf dem Dach und vor dem
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