Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Nervenkitzel, das weiß schäumende Wasser zu befahren, strömte durch ihre erfrorenen Adern und milderte die Angst vor den Vampiren. Marguarita hatte die Ausflüge mit Julio in den Regenwald immer geliebt. Gemeinsam waren sie zu vielen Abenteuern aufgebrochen, und sie wünschte nur, er wäre jetzt auch bei ihr.
Das nächste Hindernis war das schwierigste, denn das Kanu musste in einem ganz bestimmten Winkel in das Felsentor einbiegen, um die Brandung zu umschiffen, die das Boot zum Kentern bringen konnte. Marguarita konnte Julios Stimme hören, die ihr Anweisungen gab, wie sie das Paddel halten musste, um das Kanu für den Bruchteil einer Sekunde anzuhalten. So lange brauchte sie, um scharf abzubiegen, und es dann mit einem harten Paddelschlag nach vorn schießen zu lassen. Marguarita meisterte die schmale Klamm zwischen den beiden Felsen genau so, wie Julio es ihr vorgemacht hatte, und wich dem gefährlich aufgewühlten Wasser um Zentimeter aus.
Das Kanu schoss ins offene Wasser hinaus, und schon war Marguarita auf dem Amazonas. Die Strömung erfasste das Boot, und Marguarita musste ihre ganze Kraft aufwenden, um es auf das Ufer zuzulenken. Der Fluss führte Hochwasser und war unglaublich schnell. Nur mit purer Willenskraft und unter Aufbietung all ihrer Kräfte gelang es ihr, das Ufer zu erreichen. Sie war ein Stück weiter flussabwärts abgetrieben als geplant, aber heilfroh, als sie einen der im Wasser hängenden Äste ergreifen und sich daran mit ihrem Kanu an die Uferböschung ziehen konnte.
Das Gefälle hier am Rand war extrem verschlammt und glitschig. Marguarita war erschöpft, durchfroren und nass und fühlte sich erbärmlich. Sie versuchte, die Böschung hinaufzuklettern, rutschte jedoch immer wieder ab. Der Wind frischte auf und peitschte schließlich mit einer solchen Kraft von allen Seiten auf sie ein, dass er sogar Strähnen aus ihrem dicken Zopf herausriss und ihr Kopfschmerzen verursachte. Schließlich gab sie es auf, die Böschung hinaufzuklettern, und kroch stattdessen. Doch obwohl sie ihre Finger in die Erde krallte, rutschte sie immer wieder zurück, bis ihre Beine und Arme schmerzten und sie schon fürchtete, sie nie wieder anheben zu können. Der von dem Wind gepeitschte Regen biss in ihren Körper, als sie endlich oben ankam und einen Moment lang liegen blieb, um zu Atem zu kommen.
Marguarita machte sich gar nicht erst die Mühe aufzustehen, sondern kroch einfach über den unebenen Boden in den Schutz eines großen Kapokbaumes, um aus dem Regen herauszukommen. Erschöpft lehnte sie sich an die dicken Wurzeln und versuchte, wieder einigermaßen ruhig durchzuatmen. Und da überfiel sie erneut die Erinnerung an den Vampir, der sie angegriffen hatte. Irgendein Detail entzog sich ihr, aber sie wusste, dass es wichtig war.
Sie repräsentierte schon seit Jahren die Familie de la Cruz. Die meisten Familien, die die Ranch bewirtschafteten, hatten noch nie einen der Brüder zu Gesicht bekommen. Marguarita hatte den Arbeiterfamilien Lebensmittel und Medikamente gebracht, wenn sie benötigt worden waren, die Abtragung ihrer Schuld geregelt oder ihnen in Notzeiten ein Darlehen gewährt, womit sie sich ihre Loyalität und ihren guten Willen erworben hatte. Sie hatte die Familie de la Cruz zu einer der meistgeliebten in der Region gemacht. Ihre Großzügigkeit … okay, und das Geld der de la Cruz’ hatten das Ihrige dazu beigetragen.
Vorsichtig stand sie auf und zwang ihre Beine, ihre Arbeit aufzunehmen. Ohne jede Vorwarnung schlingerte der Boden und warf sie wieder auf die Knie. Sofort schwärmten Ameisen über Marguaritas Hände und Stiefel. Sie unterdrückte einen kleinen Aufschrei, weil sie jetzt wusste, dass Zacarias nicht tot war. Wie hatte sie so dumm sein können? Er war zur Hazienda zurückgekehrt und hatte sie dort nicht mehr gefunden. Marguarita sprang auf und lief ziellos los, was sich als ein weiterer dummer, gedankenloser Fehler entpuppte.
Riesige Motten, die vom Licht der Stirnlampe angezogen worden waren, flatterten um Marguarita herum. Fledermäuse kreisten nicht weit über ihr und stürzten herab, um die Insekten zu fangen, die das Lampenlicht enthüllte. Große Augen starrten sie einen Moment lang aus geringer Entfernung an, dann sprang das Tier auf einen Baumstamm und flitzte zu den höheren Ästen hinauf. Eine Schlange entrollte sich und hob den Kopf.
Wieder schwankte der Boden, und Donner krachte. Für einen Moment konnte Marguarita kaum atmen. Wieder einmal fühlte sie sich
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