Dunkle Gier: Roman (German Edition)
Karpatianern galt Zacarias noch als jung, doch er hatte schon oft genug Vampire bekämpft und war gegen sie ins Feld gezogen. Er hatte bereits begonnen, die Emotionen zu verlieren, und Farben sah er schon lange keine mehr, obwohl er noch weit entfernt war von dem Alter, in dem das hätte geschehen dürfen.
Mit aller Kraft stieß er die Faust durch die substanzlose Gestalt seines Vaters und kam dabei ins Straucheln. Der Hieb traf ihn hart am Rücken und schleuderte ihn nach vorn und in die Blutlachen um den Leichnam seiner Mutter. Mit dem Gesicht nach unten schlitterte er über das Blut und landete auf dem toten Körper seiner Mutter. Ihre leblosen Augen starrten ihn in stummem Vorwurf an. Als er die Hände aufstützte, um sich aufzurappeln, versanken sie bis zu den Handgelenken in ihrem Blut. Ihm drehte sich der Magen um, und das Herz blieb ihm fast stehen.
Zacarias!
Auf Nicolas’ stumme Warnung hin rollte er sich zur Seite und löste sich im letzten Moment in dünnen Nebel auf. So traf ihn die Faust seines Vaters nicht, sondern bohrte sich, durch den leblosen Körper seiner Mutter hindurch, in den blutdurchtränkten Boden.
Zacarias war bis ins Innerste erschüttert, aber er musste sich zusammenreißen, wenn er überleben wollte. Denn starb er, würden auch seine Brüder sterben. Mit einem tiefen Atemzug schüttelte er das Blut seiner Mutter, das ihn von Kopf bis Fuß bedeckte, und den Anblick ihrer toten Augen ab. Ihr starrer Blick warf ihm vor, seinen eigenen Vater töten zu wollen. Nein, er war nicht mehr sein Vater. Er war ein Vampir. Ein Untoter. Eine üble, verdorbene Kreatur, die alles und jeden auf ihrem Weg zerstören würde. Schon jetzt verdorrte das Gras unter den Füßen des Vampirs. Dies war nicht mehr der Mann, den er über alles geliebt und mehr als jeden anderen respektiert hatte.
Zacarias spürte, wie ihn die vertraute Kälte überkam, die er in frühem Alter schon an sich bemerkt hatte – aber jetzt war es flüssiges Eis, das ihn durchströmte und seine Adern erstarren ließ. Während andere Jungen noch unbekümmert spielten, hatte er sich für die vielfältigen Arten zu töten, zu kämpfen und zu überlisten interessiert. Seine Sinne waren schärfer, seine Reflexe schneller als die anderer Jungen. Er hatte Informationen aufgenommen und hart daran gearbeitet, sich sogar vor seinen eigenen Eltern zu verbergen. Wieder und wieder hatte er die Fähigkeit geübt, sich an andere heranzuschleichen und sie stundenlang zu beobachten, ohne gesehen zu werden. Selbst damals hatte Zacarias schon gewusst, dass er anders war, dass die Kälte, die in seine Adern sickerte, ihm einen Vorteil verschaffte, den andere nicht hatten, doch er war immer gegen dieses Wissen angegangen.
Diesmal rief er die Kälte jedoch herbei, statt sich zu bemühen, ihr zu entkommen. Er begrüßte die Schatten in sich und ließ – zum ersten Mal – die Dunkelheit von sich Besitz ergreifen. Sie legte sich über ihn und in ihn, und es passte ihm wie angegossen, dieses Raubtier, das sie aus ihm machte. Er hatte schon immer gewusst, dass es da war und nur darauf wartete, sich seiner zu bemächtigen. Zacarias hatte dagegen angekämpft und sein eigenes Wesen nicht mit diesem Raubtier teilen wollen, doch jetzt wusste er, dass er keine andere Wahl mehr hatte, wenn er überleben wollte, und er musste überleben, um seine Brüder zu beschützen. Also wählte er für sich das Raubtier, um für seine Brüder das Leben wählen zu können.
Zacarias bewegte sich mit dem tosenden Wind, glitt lautlos und verstohlen wie der erfahrenste Jäger hinter den Vampir und nahm all seine Kraft zusammen.
Der Untote blickte sich um, spuckte auf den Boden, als er nichts Bedrohliches sah oder hörte, und wandte sich den vier Jungen zu, die zwischen den Felsen hockten. In einem bösen Grinsen bleckte er die Zähne. »Er hat euch mir überlassen. Gut. Dem Kleinen werde ich den Kopf abreißen und ihn Stück für Stück an euch verfüttern, bevor ich euch alle bei lebendigem Leibe auffresse.«
Nicolas und Rafael standen auf, zwei junge, tapfere Karpatianer, die sich Schulter an Schulter vor ihre jüngeren Geschwister stellten.
Zacarias ließ mit voller Absicht einen kleinen Felsen hinter sich herunterrollen. Der Vampir, der ein perfektes Ziel abgab, fuhr zu dem Geräusch herum.
Nicht hinsehen! , befahl Zacarias seinen Brüdern. Guckt alle weg! Nicolas, halt Riordan die Augen zu! Keiner von euch soll das sehen.
Die Kehle eng und voller Tränen, nahm Zacarias
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