Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
in die Kanalisation unternehmen, wäre es mir eine große Ehre, Sie begleiten zu dürfen.«
Dodger drehte die Karte hin und her, gab nach und erwiderte: »Ich habe eine … Expedition mit Mister Disraeli und Mister Dickens geplant. Sie wird übermorgen stattfinden, denke ich. Ein weiterer Teilnehmer sollte eigentlich kein Hindernis sein.« Und es passte gut zu seinem Plan, insbesondere wenn einer der eben erwähnten Herren seine Meinung änderte und plötzlich anderweitig zu tun hatte, wie man so etwas nannte.
Mister Bazalgette strahlte voller Freude. Ein Enthusiast, ganz klar. Ein Mann, der Zahlen, Zahnräder und Maschinen mochte und auch Abwasserkanäle. Mister Bazalgette muss ein Geschenk der Lady sein, dachte Dodger. »Sicher wissen Sie«, plapperte Bazalgette, als läse er Dodgers Gedanken, »oder vielleicht auch nicht, dass die Römer die Kanalisation gebaut haben. Sie glaubten sogar an eine Göttin der Kanalisation, die man heute Lady nennt, soweit ich weiß. Damals gaben sie ihr den Namen Cloacina. Vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, dass vor nicht allzu langer Zeit ein Gentleman hier in England – ein gewisser Matthews – ein Gedicht über sie schrieb, dem Beispiel der Römer folgte und ihre Hilfe dabei erbat, wie soll ich es formulieren, ihm gewisse Körperfunktionen zu erleichtern, die ihn, wie es das Gedicht andeutete, morgens auf eine im wahrsten Sinn des Wortes harte Probe stellten.«
Nach allem, was Dodger gehört hatte, waren die Römer gewiefte Kerle gewesen, die außer Abwasserkanälen zum Beispiel auch Straßen gebaut hatten. Aber jetzt, ohne jede Vorwarnung, stellte sich plötzlich heraus, dass sie auch die Lady verehrt hatten. Solomons Beschreibungen zufolge waren die Römer ziemlich harte und gnadenlose Burschen gewesen, wenn man gegen sie antrat … und sie hatten an die Lady geglaubt. Nun, Dodger hatte zur Lady gebetet, so viel stand fest, aber er war nie so richtig von ihrer Existenz überzeugt gewesen und hatte nur halb an sie geglaubt. Aber nun erfuhr er, dass alle die großen Krieger, die damals in der Stadt gelebt hatten, für sie gekniet und gebetet hatten, damit ihre Haufen ein bisschen weicher wurden. Es konnte keine bessere Bestätigung geben. Dodger verwandelte sich, wenn auch auf Umwegen, in einen wahren Gläubigen.
Mister Bazalgette hüstelte. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Mister Dodger? Sie wirken ein wenig geistesabwesend.«
Dodger kehrte rasch in die Wirklichkeit zurück, lächelte und sagte: »Es ist alles in bester Ordnung, Sir.«
Dann landete eine Hand auf seiner Schulter, und Charlie sagte vergnügt: »Bitte entschuldigen Sie, Mister Bazalgette, ich dachte schon, ich müsste unseren Freund an den Ausflug in die Kanalisation erinnern. Und auch Benjamin, denn jene von uns, die zu seinen Freunden zählen, sähen gern, wie der adrette Herr dort unten in den Kanälen zurechtkommt, insbesondere wenn er irgendwo ausrutscht, was natürlich hoffentlich nicht geschieht. Welche Schuhe er wohl tragen wird?« Charlie lächelte, nach Dodgers Meinung mit fröhlicher Bosheit. Es war nicht die gemeine Version von Bosheit, sondern vielleicht nur gutmütiger Spott, wie man einem Kumpel sagt, dass er für seine Stiefel zu groß wird. Vermutlich glaubte Charlie, der Ausflug in die Kanalisation werde sich nicht nur als lehrreich, sondern auch als unterhaltsam erweisen.
Während die Gäste umhergingen und sich voneinander verabschiedeten, sagte Dodger zu Charlie und den anderen: »Ich nehme an, dass die Herren sehr beschäftigt sind, und deshalb schlage ich vor, dass wir uns beim The Lion in Seven Dials treffen. Sie können dort Ihre Kutsche zurücklassen, und anschließend gehen wir zu Fuß zum Ausgangspunkt unserer Expedition. Übermorgen, einverstanden? Um sieben Uhr? Die Sonne wird tief stehen, und Sie werden überrascht sein, wie weit ihr Licht in die Abwasserkanäle hineinreicht, als wolle sie das Dunkel ganz und gar ausfüllen.« Er fügte hinzu: »Nichts für ungut, meine Herren, aber wenn ich Sie nach unten bringe und Ihnen dort etwas zustößt, bedeutet das nicht nur Ärger für Sie, sondern auch für mich. Deshalb sehe ich mich früher am Tag vor Ort um und vergewissere mich, dass es keine Probleme gibt. Sie hören von mir, falls es nötig wird, den Ausflug zu verschieben.«
Charlie nickte. »Das ist eine sehr vernünftige Vorsichtsmaßnahme, Dodger. Wie schade, das Henry nicht mit uns kommen kann! Was mich betrifft … Ich kann gar nicht abwarten, dass es
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