Dunkle Halunken: Roman (German Edition)
solltest. Zwar gibt es Vertreter anderer Mächte in diesem Land, doch sie würden es sich bestimmt zweimal überlegen, Mister Disraeli oder Mister Dickens Schaden zuzufügen. Anders sähe es bei einem Tosher aus, der sich ihrer Meinung nach ohne viel Aufhebens aus dem Weg räumen ließe.«
Dodger wusste, dass Solomon recht hatte. Immerhin ging es bei dieser Sache auch um Politik, und wenn Politik eine Rolle spielte, waren Geld und Macht nicht weit, und beides mochte für gewisse Leute wichtiger sein als ein Tosher und eine junge Frau.
»Denk dran, dass du morgen, wenn du ins Theater gehst, wieder gut herausgeputzt sein musst«, sagte Solomon. »Übrigens, was hat es mit dem Zettel auf sich, den du da in der Hand hältst? Es ist ungewöhnlich für dich, dass du zu lesen versuchst …«
Dodger gab den ungleichen Kampf auf. »Bitte, sag mir, was das hier bedeutet, Sol, denn ich glaube, es ist wichtig. Ich nehme an, dies sind die Leute, die es auf Simplicity abgesehen haben.«
Die Geschwindigkeit, mit der Solomon Informationen von einem Stück Papier saugte, grenzte für Dodger immer an ein Wunder. »Es ist die Adresse einer Botschaft«, erklärte der alte Mann.
»Was ist eine Botschaft?«, fragte Dodger.
Solomon brauchte einige Minuten, um Dodger die Bedeutung einer Botschaft zu erklären, aber am Schluss der Erklärung standen Dodgers Augen in Flammen, und er sagte: »Nun, du weißt ja, wie es mit mir und dem Lesen steht. Kannst du mir nicht einfach sagen, wo sich die Botschaft befindet?«
»Ich frage mich, ob ich das wagen darf«, erwiderte Solomon. »Aber wie ich dich kenne, gibst du keine Ruhe, bis du es schließlich herausfindest. Bitte, versprich mir wenigstens, dass du niemanden umbringst. Es sei denn, man versucht vorher, dich umzubringen.« Er fügte hinzu: »Eine bemerkenswerte Frau, Angela, nicht wahr?« Er sah aus dem Fenster und fuhr fort: »Ich glaube, ich könnte den Kutscher veranlassen, an der Adresse vorbeizufahren.«
Fünf Minuten später starrte Dodger auf das Gebäude wie ein Taschendieb, der die Hosentaschen eines Lords beobachtet. »Ich fahre mit dir zurück, damit du wohlbehalten heimkommst«, sagte er. »Aber danach warte nicht auf mich.«
Den ganzen Weg nach Seven Dials brannte er vor Ungeduld, während die Kutsche durch dunkle Straßen rumpelte, und als sie zu Hause ankamen, gab er vor, den Schatten nicht zu bemerken, der aus einer finsteren Ecke heraus alles beobachtete. Der Mann schien ihnen keine besondere Beachtung zu schenken, als sie die Treppe hinaufstiegen, wobei Solomon darüber klagte, dass er an diesem Abend so spät ins Bett kam. Dodger verbrachte einige Zeit damit, Onan zu füttern und den üblichen kleinen Abendspaziergang zu unternehmen, und wenig später sah der Beobachter, wie oben hinter dem Fenster das Licht der einen Kerze verschwand.
Auf der anderen Seite des Gebäudes hangelte sich Dodger – der mittlerweile seine Arbeitskleidung trug – an einem Seil hinab, das er stets benutzte, wenn er unbemerkt die Straßen erreichen wollte. Dann schlich er zu dem Mann, der noch immer Ausschau hielt, band in der Dunkelheit die Schnürsenkel seiner Stiefel zusammen, brachte ihn mit einem Tritt zu Fall und sagte: »Hallo, ich heiße Dodger, und wie heißt du?«
Der Mann war zuerst überrascht und dann zornig. »Ich bin Polizist, damit du’s weißt!«
»Ich sehe keine Uniform, Herr Polizist«, meinte Dodger. »Ich sag dir was: Du hast ein nettes Gesicht, und deshalb lasse ich dich laufen, klar? Und richte Mister Robert Peel aus, dass Dodger die Angelegenheit auf seine Weise erledigt, kapiert?«
Dodger lag nicht unbedingt im Clinch mit Scotland Yard, aber die Polizei hatte ihn auf dem Kieker, und das war mehr, als ihm lieb sein konnte. Wenn die Peeler von Scotland Yard jemanden in die Finger bekommen hatten, ließen sie ihn nicht mehr los. Und wenn sich herumsprach, dass er, Dodger, mit den Peelern gesprochen hatte – noch dazu mit ihrer Nummer eins, dem großen Peel höchstpersönlich! –, dachten die Leute auf der Straße womöglich, dass er schlechten Umgang pflegte und sie ausspionierte.
Schlimmer noch: Er selbst wurde ausspioniert. Von Polizisten, die keine Uniform trugen, sondern wie ganz gewöhnliche Männer gekleidet waren. So etwas sollte verboten sein – es war einfach gegen alle Regeln. Immerhin, wenn man einen Peeler in der Nähe sah, verzichtete man vielleicht darauf, jemandem in die Tasche zu langen oder irgendwelche Dinge mitzunehmen, die einfach
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