Dunkle Herzen
weiteres?«
Bob schürzte die Lippen und zog die Brauen zusammen. »Nun, eigentlich ist die Farm ja landwirtschaftliches Nutzgebiet, aber man weiß ja nie. Wenn man die richtigen Leute schmiert, läßt sich immer etwas machen.« Er brach ab, hüstelte verlegen und wich Clares Blick aus, da ihm die Geschichte mit ihrem Vater einfiel. »Du, äh, du läßt dich hier jetzt also häuslich nieder?«
Clare bemerkte, daß sein Blick nach oben, zum Dachgeschoßfenster gewandert war. »Mehr oder weniger.«
Bob schaute wieder zu ihr hin. »Gruselst du dich denn nicht, so ganz alleine?«
»Ich bin in diesem Haus aufgewachsen, da gruselt man sich nicht so leicht.« Außerdem waren ihr alle Geister hier wohlvertraut.
Bob polierte einen Fleck von seinem Außenspiegel. Ein- oder zweimal hatte in ihrem Dachgeschoß Licht gebrannt. Gewisse Leute wollten wissen, weshalb. »Den Klamotten nach zu urteilen, die du so zusammenkaufst, bleibst du wohl noch eine Weile hier.«
Clare hatte beinahe vergessen, wie wichtig es für jeden Bewohner einer Kleinstadt war, über alle Vorgänge informiert zu sein. »Ich hab’ noch keine konkreten Pläne.« Lässig zuckte sie mit den Achseln. »Das ist der Vorteil, wenn man frei und ungebunden ist.«
»Vermutlich.« Bob lag schon zu lange in Ehefesseln, um sich noch daran erinnern zu können, wie es war, frei und ungebunden zu sein. Vorsichtig tastete er sich an den eigentlichen Zweck seines Besuches heran. »Irgendwie ulkig, dich wieder hier zu haben. Ich muß immer wieder daran denken, wie ich dich zum ersten Mal ausgeführt habe. Wir sind auf die Kirmes gegangen, stimmt’s?«
Ihre Augen verloren plötzlich ihren Glanz, und die Farbe wich aus ihren Wangen. »Ja. Auf die Kirmes.«
»Das war doch damals …« Abrupt brach Bob ab und tat so, als ob ihm erst jetzt alles wieder einfiele. »O je, Clare.« Treuherzig blickte er ihr voll ins Gesicht. »Es tut mir schrecklich leid. Wie konnte ich das nur vergessen?«
»Ist schon gut.« Clares Wangen schmerzten von der Anstrengung, ein gezwungenes Lächeln aufzusetzen. »Das ist alles schon lange her.«
»Ja, eine ganze Weile. Mann, ich komme mir vor wie der letzte Trottel.« Ungeschickt tastete er nach ihrer Hand. »Es muß ja schlimm für dich sein, wenn irgendein Idiot dich immer wieder an alles erinnert.«
Sie brauchte nicht extra jemanden, der sie an alles erinnern mußte. Nervös hob Clare die Schultern. »Mach dir deswegen keine Gedanken, Bob. Wenn ich mit meinen Erinnerungen nicht umgehen könnte, wäre ich nicht hier.«
»Nun ja, sicher, aber … na ja«, meinte Bob unsicher. »Aber du hast ja genug, was dich ablenkt. Deine Arbeit zum Beispiel. Und …«, er zwinkerte ihr vielsagend zu, »… den Sheriff.«
»Das hat sich ja schnell herumgesprochen«, entgegnete sie trocken.
»Allerdings. Ich glaube, ihr zwei paßt ganz gut zusammen.«
»Das glaube ich auch.« Belustigt registrierte sie, daß seine Augen immer wieder in ihre Garage, zu der Skulptur, die sie Die verborgene Bestie genannt hatte, zurückkehrte, als ob ihn die Figur magnetisch anziehen würde. »Vielleicht würde Bonnie Sue die gerne neben ihren Esel stellen.«
Bob errötete und scharrte linkisch mit dem Fuß. »Ich glaube nicht, daß diese Art von Statue auf ihrer Linie liegt. Ich kann zwar nicht behaupten, viel von Kunst zu verstehen, aber …«
»Du weißt, was dir gefällt«, beendete sie den Satz für ihn. »Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, daß du die Statue nicht magst, Bob. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich sie selber mögen soll.«
Nein, die Statue gefiel ihm ganz und gar nicht. Dazu war ihm der Anblick viel zu vertraut. »Was hat dich eigentlich
dazu getrieben, etwas so … Ungewöhnliches zu erschaffen?«
Clare blickte über ihre Schulter. »Ich bin mir nicht sicher. Man könnte sagen, es war eine Art Eingebung. Ich habe sie im Traum gesehen«, fügte sie leise, wie zu sich selbst, hinzu und rieb über die Gänsehaut, die sich auf ihren Armen gebildet hatte.
Bobs Augen verengten sich zu schmalen, wachsamen Schlitzen, doch als sie sich zu ihm umdrehte, trat blitzschnell wieder der alte leere Ausdruck auf sein Gesicht. »Ich denke, ich bleibe lieber bei Eselchen mit Karren. Sag mir Bescheid, wenn irgend etwas mit der Lampe nicht in Ordnung ist.«
»Mach’ ich.« Immerhin war er der erste Junge gewesen, der sie je geküßt hatte, erinnerte sie sich lächelnd. »Grüß bitte Bonnie Sue von mir.«
»Sicher, wird gemacht.« Bob, der
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