Dunkle Herzen
eigentlich immer überwältigend sexy. Und er gehörte ihr allein.
Obwohl sie es nicht zugeben wollte, genoß sie die Fahrt über Land, mit heruntergekurbelten Fenstern und aus dem Autoradio hämmernder Cajun-Musik. Sie hatte Jean-Paul bewußt nicht angeboten, ihn am Steuer abzulösen, da sie wußte, wie selten ihr Mann Gelegenheit hatte, seine Lederkappe aufzusetzen, die Handschuhe überzustreifen und loszubrausen.
Kurz hinter der Ausfahrt Nummer Neun auf der Schnellstraße nach Jersey hatten sie einen Strafzettel kassiert, den Jean-Paul auch bereitwillig unterschrieben hatte – ehe er sich wieder in den fließenden Verkehr einordnete und den Jaguar auf neunzig Meilen pro Stunde hochjagte.
Er fühlte sich so wohl wie ein Schwein im Schlamm, dachte Angie, dann schloß sie gottergeben die Augen. Jetzt wählte sie sogar ihre Vergleiche schon aus dem landwirtschaftlichen Bereich!
Die letzte Stunde der Fahrt hatte sie ein bißchen nervös gemacht. Nichts als Felder, Hügel und Bäume. Soviel freier, offener Raum. Angie fühlte sich in der Stahl- und Betonwüste Manhattans weitaus wohler. Mit einem Straßenräuber wurde sie fertig – das hatte sie schon einmal bewiesen –, aber ein Hase, der quer über die Straße hoppelte, versetzte sie in Panik.
Wo um Gottes willen war der Lärm? Wo waren die Menschenmengen? Gab es hier überhaupt Menschen, oder befand sie sich in einer realen Version von George Orwells Farm der Tiere ?
Was zum Teufel hatte sich Clare nur dabei gedacht, als sie sich entschlossen hatte, an einem Ort zu leben, wo es sich bei den nächsten Nachbarn um Kühe handelte?
Sie spielte nervös an der schweren goldenen Gliederkette, die sie um den Hals trug, herum, als Jean-Paul plötzlich an den Straßenrand fuhr und so scharf bremste, daß der Schotter aufflog. »Schau mal! Eine Ziege!«
Angie kramte in ihrer Handtasche nach Excedrin. »Mein Gott, Jean-Paul, werd doch endlich erwachsen.«
Dieser lachte nur und lehnte sich über sie, um den räudigen grauen Ziegenbock, der in aller Seelenruhe vor sich hingraste, besser beobachten zu können. Der gehörnte Geselle wirkte genauso unbeeindruckt wie Angie. »Aber der Angorapullover, den ich dir zu Weihnachten geschenkt habe, der hat dir gefallen, nicht wahr?«
»Meine Wildlederjacke gefällt mir auch, aber deshalb muß ich mir ja nicht gleich ein Schaf als Haustier halten.«
Jean-Paul kitzelte seine Frau hinter dem Ohr, ehe er sich in den Sitz zurücksinken ließ. »Wo müssen wir denn jetzt abbiegen?«
Angie warf ihm einen mißtrauischen Blick zu. »Haben wir uns verfahren?«
»Nein.« Er sah ihr zu, wie sie zwei Schmerztabletten schluckte und mit einem Schluck Perrier direkt aus der Flasche nachspülte. »Ich weiß zwar nicht, wo wir sind, aber wir werden schon irgendwo hinkommen.«
Seine Logik ließ sie wünschen, Valium statt Excedrin bei sich zu haben. »Red’ keinen Unsinn, Jean-Paul, das deprimiert mich immer.«
Sie holte die Karte und Clares Wegbeschreibung hervor, damit sie sich gemeinsam überzeugen konnten, wo sie gelandet waren. Ihr Ärger legte sich ein wenig, als Jean-Paul ihren Nacken und ihre Schultern massierte. Wie immer spürte er instinktiv, wo die Schmerzen saßen.
Jean-Paul war ein geduldiger, aber ausgesprochen begeisterungsfähiger Mann – in jeder Hinsicht. Als er seine Frau kennengelernt hatte, war diese die Assistentin eines rivalisierenden Kunsthändlers gewesen. Der Ehrgeiz hatte
ihr förmlich aus den Augen geleuchtet. Da sie auf oberflächliche Flirtversuche und auf unumwundene Anträge gleichermaßen kühl und zurückhaltend reagierte, hatte sie eine unwiderstehliche Herausforderung für sein Ego dargestellt. Sechs Wochen hatte er gebraucht, um sie zu überreden, einmal mit ihm essen zu gehen, weitere drei Monate hatte es gedauert, sie ins Bett zu bekommen.
Dort allerdings hatte sie sich weder kühl noch zurückhaltend gegeben.
Das Sexuelle war die am leichtesten zu überwindende Hürde gewesen. Jean-Paul wußte, daß sich Angie zu ihm hingezogen fühlte, so wie viele Frauen. Er war Künstler genug, um zu erkennen, daß er physisch attraktiv wirkte, und Mann genug, um diesen Umstand auszunutzen. Seinen Körper pflegte er mit einer an Besessenheit grenzenden Hingabe, hielt strikte Diät und trieb ständig Sport. Der französische Akzent und die oft bewußt falsch angewandten Redewendungen steigerten seine Anziehungskraft auf das andere Geschlecht nur noch. Jean-Paul trug sein dunkles, lockiges Haar beinahe
Weitere Kostenlose Bücher