Dunkle Herzen
sehr zufrieden mit dem, was er erfahren hatte, war, nickte und zog seinen Hosenbund hoch. »Ich werd’s ihr ausrichten.« Er drehte sich um, und seine Augen wurden riesengroß. »Heiliges Kanonenrohr, sieh dir mal diesen Wagen an!«
Clare blickte sich um und erkannte den Jaguar, der gerade anhielt, sofort. Als Jean-Paul heraussprang, rannte sie ihm bereits entgegen, um sich in seine Arme zu werfen und ihm einen überschwenglichen Kuß zu geben.
»Mmm.« Er küßte sie gleich noch einmal. »Schmeckt wie Lakritz.«
Lachend machte Clare sich los, um Angie zu umarmen. »Ich kann noch gar nicht glauben, daß ihr wirklich hier seid.«
»Ich übrigens auch nicht.« Angie strich ihr Haar zurück, während sie ihre Umgebung prüfend musterte. Ihre Vorstellung von ländlicher Mode beinhaltete nilgrüne Leinenhosen mit passender Jacke und dazu eine rosenholzfarbene Seidenbluse. Außerdem trug sie flache Schuhe – von Bruno Magli. »Das ist also Emmitsboro.«
»Allerdings.« Clare hauchte der Freundin einen Kuß auf die Wange. »Wie war denn die Fahrt?«
»Wir haben nur einen Strafzettel gekriegt.«
»Jean-Paul scheint zu verweichlichen.« Clare sah zu, wie dieser zwei Koffer und eine große lederne Reisetasche aus dem Wagen hievte. »Jetzt gehen wir erst mal rein und trinken zur Begrüßung ein Glas Wein«, schlug sie vor, nahm ihm die Tasche ab und ging aufs Haus zu. Bei Bobs Laster blieb sie stehen, um die drei bekanntzumachen. »Bob Meese, Angie und Jean-Paul LeBeau, Freunde und Kunsthändler aus New York. Bob besitzt den besten Antiquitätenladen der Stadt.«
»Aha.« Jean-Paul setzte einen Koffer ab, um Bob die Hand zu reichen. »Wir müssen unbedingt einmal bei Ihnen vorbeischauen, ehe wir wieder abreisen.«
»Wir haben an sechs Tagen in der Woche von zehn bis sechs und sonntags von zwölf bis fünf geöffnet.« Bobs Blick fiel auf Jean-Pauls Krokodillederschuhe und sein goldenes Gliederarmband. Man stelle sich vor, ein Mann, der Schmuck trägt – auch wenn es sich um einen Ausländer handelte. Bob nahm auch die exotisch wirkende Frau zur Kenntnis. Eine Schwarze. Diese kleinen Einzelheiten konnte er bis zum Ladenschluß an seine Kunden weitergeben. »So, ich muß langsam wieder zurück.«
»Danke, daß du mir die Lampe vorbeigebracht hast.« »Null Problemo.« Bob winkte noch einmal grüßend, kletterte in seinen Laster und setzte rückwärts aus der Einfahrt hinaus.
»Hat da eben jemand von Wein gesprochen?« wollte Angie wissen.
»Ganz recht.« Clare hakte sich bei ihrer Freundin ein und zog sie sanft den Weg zur Vordertür entlang. »Euch zu Ehren bin ich bis nach Frederick gefahren, um meinen Vorrat an Pouilly-Fuissé aufzustocken.«
»Wart’ mal einen Moment.« Jean-Paul strebte in die entgegengesetzte Richtung. »Arbeitest du in der Garage?«
»Ja, aber laß uns doch erst mal reingehen und es uns bequem machen. Wie gefallen dir denn meine Petunien? Ich hab’ sie gerade erst …«
Angie folgte bereits ihrem Mann, Clare im Schlepptau
hinter sich herzerrend. Clare sog zischend den Atem durch die Zähne, schloß den Mund und wartete ab. Diesen Augenblick der Wahrheit hatte sie möglichst lange hinausschieben wollen, wie ein Kind, das sich scheut, den Eltern sein Zeugnis zu präsentieren. Eigentlich lächerlich, schalt sie sich. Doch ihr lag viel an Jean-Pauls und Angies Meinung. Beide hatten sie, Clare, ins Herz geschlossen, das wußte sie. Und aufgrund dessen würden sie ehrlich bis hin zur Brutalität sein, wenn sie es für nötig hielten. Die Arbeiten, die sie hier, zuhause in Emmitsboro, gefertigt hatte, bedeuteten ihr mehr als alles andere, was sie bislang geschaffen hatte, da diese einem verborgenen Winkel ihres Herzens entsprungen waren.
Wortlos trat sie ein Stück zurück und sah zu, wie die beiden um die Skulpturen herumgingen und sie kritisch musterten. Nur das leise Tappen von Angies Fuß auf dem Betonboden war zu vernehmen, als sie die Holzschnitzerei von allen Seiten inspizierte. Sie und ihr Mann wechselten kein Wort, kaum einen Blick miteinander. Jean-Paul zupfte an seiner Unterlippe, eine nervöse Angewohnheit, die Clare schon an ihm kannte, während er die Metallstatue in Augenschein nahm, die Bob Meese erst kürzlich so mißbilligend betrachtet hatte.
Wo Bob nur ein wildes Metallgewirr, dessen Sinn er nicht verstand, gesehen hatte, sah Jean-Paul eine Feuerstelle, aus der die Flammen gierig herauszüngelten. Ein hungriges, ein gefährliches Feuer, dachte er. Es verursachte bei
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